: No change mit Obama
USA Die Regierung hält die Atomkraft für alternativlos – Anti-AKW-Bündnisse erleben ihre Renaissance
Tausend neue Atomkraftwerke forderte Präsident Nixon 1973 angesichts steigender Benzinpreise durch das Ölembargo. Und die weltweite Anti-Atomkraft-Bewegung nahm ihren Anfang. Heute findet man in den USA lediglich 104 Reaktoren, für den aktuellen Amtsinhaber Obama anscheinend nicht genug. Er sieht in der „sauberen“ Atomkraft die Energiequelle der Zukunft. Gerade erst stellte der Kongress den Energiekonzernen zusätzliche Bürgschaften in Milliardenhöhe in Aussicht, um den Bau neuer Kraftwerke voranzutreiben. Doch auch die Gegenseite erhielt Auftrieb. Im April protestierten tausende Jugendliche in Washington für einen „power shift“ hin zu erneuerbaren Energien. Mehr als 35 Anti-AKW-Bündnisse sind über das ganze Land verteilt, die meisten agierten jedoch nur lokal, meint Jürgen Knirsch von Greenpeace Deutschland.
Sharon Tracy von Clamshell Alliance kämpft seit Jahren für die Abschaltung des AKWs Vermont Yankee in New Hampshire. „Es ist ein enormer Verdienst der damaligen AktivistInnen, dass nach 1973 keine AKWs mehr gebaut wurden.“ Nun sei es an der Zeit, vollständig aus der Atomkraft auszusteigen, sagt sie. Die Mehrheit der Bevölkerung sieht das nicht so: Zwar sank die Zustimmung für Atomkraft nach Fukushima dramatisch, doch laut der Tageszeitung USA Today sehen 53 Prozent die Energiesicherheit bei einem sofortigen Ausstieg gefährdet.
„Die AmerikanerInnen lernen nur langsam“, sagt Scott McLarty von der Green Party. Nach der großen Protestwelle in den 70ern und 80ern seien die Risiken der Atomtechnik wieder in Vergessenheit geraten. Die Menschen würden nur bedingt die Folgen von Reaktorkatastrophen wie Fukushima bedenken. Und auch Obama habe die Zeichen der Zeit nicht erkannt.
Die US-Regierung will eine günstige und zuverlässige Energieversorgung nicht aufs Spiel setzen. Der Umsturz der Verhältnisse in den arabischen Ländern führte zu Preisanstiegen an den Zapfsäulen. Für Obama ein triftiger Grund, die Abhängigkeit vom Öl zu reduzieren. Bis 2020 sollen vier neue Reaktoren gebaut werden. Auch Laufzeitverlängerungen für ältere Kraftwerke, wie etwa das 40 Jahre alte Vermont Yankee, stehen im Raum.
Ein wichtiges Argument gegen den sofortigen Umstieg auf erneuerbare Energien ist die Zeit, die für diesen notwendig sei. Amerikanische EnergieexpertInnen schätzen, dass diese Umstellung wohl mehrere Jahrzehnte dauern dürfte. Scott McLarty sieht das anders: „Man braucht keine Ewigkeit, um die Energieversorgung umzustellen. Das Problem ist, dass es wohl noch eine Generation dauern wird, bis die AmerikanerInnen anfangen, umzudenken.“
MARCUS GOOSSENS, ALEXANDRA HUBER