: Opposition ohne jede Chance
BOLIVIEN Evo Morales holt bei den Präsidentschaftswahlen klar die absolute Mehrheit. Auch im Parlament könnte es für eine Zweidrittelmehrheit reichen, um noch einmal die Verfassung zu ändern
BUENOS AIRES taz | Boliviens Präsident Evo Morales kann weiter regieren. Mit rund 60 Prozent der Stimmen wurde Morales am Sonntag für eine dritte Amtszeit in Folge gewählt – das bedeutet den Wahlsieg in der ersten Runde, liegt allerdings leicht unter dem Ergebnis der Wahl von 2009. Spötter behaupten gar, er habe sein Wahlziel verfehlt. Tatsächlich hatte Morales mehrfach das Ziel von 70 Prozent der Stimmen ausgegeben.
In acht der neun Provinzen setzten sich Morales und seine „Bewegung zum Sozialismus“ (MAS) klar durch. In seinen Hochburgen Oruro, La Paz und Cochabamba bekam Morales über 65 Prozent der Stimmen. Lediglich in der Provinz Beni musste er sich – allerdings nur hauchdünn – geschlagen geben. „Es ist ein Triumph der Antikolonialisten und Antiimperialisten“, wertete Morales am Wahlabend seinen Sieg und widmete ihn Kubas Máximo Líder Fidel Castro und Venezuelas Comandante eterno Hugo Chávez.
Die oppositionellen Herausforderer landeten abgeschlagen auf den Plätzen. Noch am besten schnitt der rechte Unternehmer Samuel Doria Medina mit rund 25 Prozent Stimmanteil ab. Um den letzten Platz streiten sich nach dem bisherigen Stand der Auszählung mit jeweils um die drei Prozent der grüne Kandidat Fernando Vargas und der Kandidat der „Bewegung ohne Angst“, Juan del Granado.
Morales verdankt seinen Erfolg nicht nur seiner eigenen Basis. Der Blick auf die vermeintlichen Hochburgen der Opposition wie Santa Cruz und Pando zeigt, dass die Wahlberechtigten die überaus positive Wirtschaftslage des Landes mit Morales verbinden. „Wir werden weiter wachsen und den Prozess der wirtschaftlichen Befreiung fortsetzen“, kündigte Morales nach seinem Wahlerfolg an.
Auch bei den Wahlen zu Senat und Abgeordnetenhaus sahnte die Präsidentenpartei MAS am Sonntag denn auch kräftig ab. Zwar sind auch hier noch nicht alle Stimmen ausgezählt, aber die MAS verfügt im zukünftigen Senat über mindestens 24 der 36 Senatoren, und damit über eine Zweidrittelmehrheit. Ob ihr dies auch im Abgeordnetenhaus gelingt, ist noch offen. Bisher kommt sie auf 86 der 130 Mandate. Sollte es dabei bleiben, bräuchte sie nur einen Abtrünnigen, um auch hier mit Zweidrittelmehrheit zu regieren.
Mit seinem erneuten Sieg schreibt Evo Morales weiter Geschichte. Sollte er im Jahr 2020 aus dem Amt scheiden, dann hat er den Rekord seines Vorgängers Andrés de Santa Cruz aus dem 19. Jahrhundert um gut zwei Jahre übertroffen. Eine weitere Amtszeit lässt die Verfassung nicht zu. Bisher hat sich jedoch niemand für die Nachfolge hervorgetan.
Es ist durchaus denkbar, dass Morales demnächst die Debatte über eine Änderung der Verfassung lostreten könnte. Diesmal konnte der Präsident noch zu dem bewährten Argument greifen, dass er bei seiner ersten Amtszeit nach der alten Verfassung gewählt wurde und bei seiner zweiten nach der neuen, er somit also zu der nach der neuen Verfassung zulässigen zweiten Amtszeit in Folge antreten durfte. JÜRGEN VOGT
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