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Archiv-Artikel

Schockierende Bischöfe

Auf einer Israel-Reise vergleicht ein katholischer Bischof die autonomen Gebiete der Palästinenser mit Warschauer Ghetto im Nationalsozialismus

VON DANIEL SCHULZ

Deutsche katholische Bischöfe haben mit einem Ghetto-Vergleich schwere Verstimmungen ausgelöst. Der Berliner Antisemitismusforscher Wolfgang Benz sieht darin „antisemitische Denkmuster“. Der Sekretär der Bischofskonferenz, Hans Langendörfer, bedauerte „den Missklang, der sich in diese Reise eingeschlichen hat.“

Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz hatten Israel besucht. Angesichts der Lage in den palästinensischen Autonomiegebieten sagte der Augsburger Bischof Walter Mixa, dies sei „fast schon Rassismus“. Eichstätts Bischof Gregor Maria Hanke sekundierte: „Morgens in Jad Vaschem die Fotos vom unmenschlichen Warschauer Ghetto, abends fahren wir ins Ghetto nach Ramallah. Da geht einem doch der Deckel hoch.“ Avner Schalev, Leiter der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem, den die Bischöfe zuvor besucht hatten, warf ihnen eine „traurige Unwissenheit der Geschichte und ein verzerrte Perspektive“ vor. Kardinal Lehmann, der die Kritik Schalevs per Brief erhalten hat, sagte der FAZ, die Bischöfe wüssten um den Terror gegen Israel, seien bei ihrem Besuch der Autonomiegebiete aber schockiert gewesen von der „geradezu katastrophalen Situation“.

Wissenschaftler sind sich auf taz-Anfrage in der Bewertung der Äußerungen uneins. „Das ist ein klassischer unsäglicher Vergleich, wie er heute in der Debatte über Israel leider Mainstream ist“, sagt der Berliner Theologe Rainer Kampling, der zu christlicher Judenfeindschaft forscht. „Antisemitismus würde ich hier nicht erkennen, aber eine bemerkenswerte Taktlosigkeit oder historische Unwissenheit.“ Zudem lasse sich das „Phänomen der Schuldabwehr“ beobachten: Ein Deutscher übertrage die Schuld der NS-Diktatur auf Israel und relativiere damit die Vergehen des eigenen Volkes.

In diesem Punkt sieht Wolfgang Benz, Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung Berlin, den antisemitischen Gehalt der Bischofs-Äußerungen. Diese seien nicht einfach nur Kritik an der Palästinapolitik Israels, die natürlich erlaubt sei. „Sie stehen vielmehr exemplarisch für die Suche vieler Deutscher nach dem schuldigen Juden“, so Benz zur taz, „um das eigene schlechte Gewissen zu erleichtern.“ Das zeige sich daran, dass diese Vergleiche fast immer auf Israel gemünzt seien. „Kaum jemand hätte im Tschetschenienkrieg Nazi-Vergleiche bemüht.“

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