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To Die Like a Man (Morrer Como Um Homem) Portugal/Frankreich 2009, R: João Pedro Rodrigues, D: Fernando Santos, Alexander David / Originalfassung mit Untertiteln Er wollte immer wie eine Frau leben. Antonia war ein Travestiestar des Nachtlebens von Lissabon, aber nun ist er so alt, dass jüngere Konkurent(inn)en mehr Applaus in der Nachtbar ernten. Tonia hat viele Opfer für diese Verwandlung in ein weibliches Wesen gezahlt, er hat einen Sohn, dem er weder ein Vater noch eine Mutter sein konnte, er hat viele Schönheitsoperationen über sich ergehen lassen und seine unterwürfige Haltung ist vielen Demütigungen und Enttäuschungen geschuldet. So kann er seinen jungen Geliebten, den Junkie Rosario, nur mit teuren Geschenken halten. Seine Brüste beginnen zu bluten, weil das Silikon sich entzündet hat und es ist Zeit dafür, „wie ein Mann zu sterben“.

Der portugiesische Regisseur João Pedro Rodrigues hat diese traurige Geschichte als ein hochstilisiertes Melodrama inszeniert, deren Reiz der Kontrast zwischen der theatralischen Künstlichkeit der Sequenzen und der durchaus realistischen Darstellung der Charaktere durch Travestiedarsteller aus der Nachtclubszene von Lissabon besteht. Vor allem Fernando Santos wirkt in der Hauptrolle absolut authentisch, und dies sowohl in der Art, wie er in hohen Hakenschuhen gehen kann (sein Satz „eine Frau ist nicht komplett ohne schmerzende Füße“ klingt wie ein Lebensmotto), wie auch bei den emotionellen Szenen.

Rodrigues erzählt im Rahmen einer Reihe von kunstvoll komponierten Sequenzen, die teilweise ins Surreale abdrehen. Gerne baut er auch Musicalnummern als Ruhepunkte in dramatische Szenen ein, bei denen zum Teil nur ein Wechsel von natürlichem Licht zu einem Rotfilter die Stimmung ändert. In der schönsten Szene singt Tonia bei einer Autofahrt einfach nur gegen das plärrende Autoradio an und schaut in einer langen ungeschnittenen Einstellung aus dem Fenster, gegen das es regnet. So bleibt der Film stilistisch immer interessant. Manchmal stellt Rodrigues seine Virtuosität allerdings auch ein wenig zu angeberisch aus. So etwa bei der letzten Einstellung des Films, einer vierminütigen Plansequenz, bei der Tonia engelsgleich über seine eigene Beerdigung ein Lied singt und die Kamera mit einer gottgleichen Perspektive über den Friedhof hin zum Meer schwebt. Hier wird die Wirkung der Sequenz fast völlig dadurch untergraben, dass man unwillkürlich darüber nachzudenken beginnt, wie das wohl gebastelt worden ist. Zu den kuriosen Regieeinfällen von Rodrigues zählen u. a. auch die Rezitation eines Gedichtes von Celan in faszinierend schlechtem Deutsch und eine nächtliche Sex- und Mordszene unter Soldaten, die wie eine erotische Fantasie angelegt ist. Keine einzige Frau darf hier auch nur einen Satz sagen – stattdessen spürt man bei jeder Einstellung die Liebe, mit der Rodrigues diese Figuren und ihre Lebensstile feiert.

■ Der Film läuft im Kino 46 am Fr, 10.6., Sa, 11.6. und Mi, 15.6. um 20.30 & So, 12.6. um 18.00