: „Die Stimmung war offener“
INTEGRATION Vom unbemerkten Leben vietnamesischer Buddhisten in Hamburg
■ 46, hat Religionswissenschaft, Ethnologie und Erziehungswissenschaft studiert. Lehrte u. a. in Hamburg und Barcelona.
taz: Herr Beuchling, warum sprechen Sie heute über das buddhistisch-vietnamesische Nonnenkloster in Billbrook – und nicht eine der Nonnen?
Olaf Beuchling: Die Nonnen treten kaum in der Öffentlichkeit auf. Morgens um fünf geht’s los mit der ersten Zeremonie, danach ist der Alltag stark getaktet, um den spirituellen Prozess nicht zu stören. Behördengänge und öffentliche Auftritte übernehmen andere. Ich begleite ihre Gemeinde seit über 15 Jahren. Damals wollte ich über die Integration vietnamesischer Flüchtlinge promovieren und stieß bei der Recherche auf die Nonnen.
Wie entstand das Kloster?
1984 kam die erste Nonne aus Vietnam nach Hamburg und gründete die Gemeinschaft, um ihren Landsleuten ein spirituelles Zentrum zu bieten. Die ersten Vietnamesen waren aber schon während des Kriegs in den 70ern als Boat People nach Hamburg gekommen.
Wie wurden die Flüchtlinge damals aufgenommen?
Sehr positiv. Die Zeit etwa sammelte über Leserspenden Geld, um noch mehr Flüchtlinge nach Hamburg zu bringen, auch der Senat war sehr engagiert. Klar gab es auch gewisse Vorurteile von Politik und Presse. Hauptargument war damals, dass die Kultur zu fremd sei und Integration, wenn überhaupt, nur aus dem europäischen Umfeld gelingen könne. Aber insgesamt war die Stimmung offener gegenüber Flüchtlingen als heute.
Was hat sich verändert?
Ich glaube, dass heute eine größere Unsicherheit darüber herrscht, ob es eine gute Sache ist, Flüchtlinge aufzunehmen. Es ist schwieriger, eine Haltung zu entwickeln, weil die Lage unübersichtlicher ist. Menschen fliehen aus unterschiedlichen Gründen und werden dementsprechend etikettiert, etwa als Wirtschaftsflüchtlinge. Auch schlechte Erfahrungen spielen öffentlich eine größere Rolle.
Wie geht es der vietnamesisch-buddhistischen Gemeinde?
Sie hat 3.500 Mitglieder, der Zusammenhalt ist groß. Es war hier immer möglich, die starken Aspekte der eigenen Kultur zu betonen, ohne sich von Deutschland abgrenzen zu müssen. Für mich ist das gelungene Integration.
Sind Deutsche unter den Mitgliedern?
Im Moment finden Feierlichkeiten wie das Ahnendank- oder das Neujahrsfest noch auf Vietnamesisch statt. Es gibt einen Umbruch hin zur Zweisprachigkeit, weil viele aus der Kindergeneration nicht mehr so gut Vietnamesisch verstehen. INTERVIEW: ETH
18.30 Uhr, Museum für Völkerkunde