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Archiv-Artikel

Ostsekt für Westsieg

Die Linke glaubt jetzt auch an Erfolge in Hamburg und Hessen – nur das gesamtdeutsche Feiern muss sie noch lernen

REAKTIONEN IN DER SPD

Das gute Ergebnis der Linkspartei bei der Bürgerschaftswahl in Bremen ist nach Ansicht von SPD-Generalsekretär Hubertus Heil kein Vorzeichen für andere künftige Wahlen. Von einem „Wetterleuchten“ der Linkspartei für andere Flächenländer oder Städte könne keine Rede sein, sagte Heil gestern im Rundfunk Berlin-Brandenburg. Die SPD sei die linke Volkspartei in Deutschland und mehrheitsfähig, fügte Heil hinzu. Allerdings werde sich die SPD stärker mit der Linkspartei auseinandersetzen müssen. Die Ängste der Menschen zu mobilisieren und keine vernünftigen Lösungen anzubieten sei nicht „links“. Nach dem Erfolg der Linkspartei in Bremen will auch der SPD-Vorsitzende Kurt Beck die zur Linken abgewanderten Wähler zurückgewinnen. Große Koalitionen seien immer geeinigt, an den Rändern eine Stärkung hervorzurufen, sagte Beck in der ARD. Ein Bündnis mit der Linkspartei schloss Beck allerdings kategorisch aus: „Mit der Linkspartei geht nichts.“

VON JENS KÖNIG, DANIEL SCHULZ UND BENNO SCHIRRMEISTER

Oskar Lafontaine hat in seiner politischen Karriere schon viele Momente erlebt, die später als historisch bezeichnet wurden. Das hat den ehemaligen SPD-Vorsitzenden mit den Jahren abgeklärter werden lassen, selbst in Stunden des Triumphs. Lafontaine rennt nicht mehr auf jede Feier. Den grandiosen Wahlsieg seiner Linkspartei am Sonntagabend hat er nicht etwa mit den Genossen in Bremen und auch nicht mit Gregor Gysi in Berlin gefeiert. Er hat ihn still genossen, vor dem Fernseher in seinem Haus in der Nähe von Saarlouis, mit einem Glas Saar-Riesling in der Hand.

Aber noch am Tag danach ist dem Chef der Linksfraktion im Bundestag die Genugtuung über diesen historischen Erfolg anzumerken. „Ich freue mich“, sagt er zur taz. „Das ist für die Linke im Westen der Durchbruch.“ Die 8,4 Prozent der Linkspartei erinnern Lafontaine an den erstmaligen Einzug der Grünen in ein Landesparlament. Das war 1979, auch in Bremen – und der Beginn einer bis heute anhaltenden Erfolgsgeschichte der Ökopartei. „Im deutschen Parteiensystem ist die Linke jetzt die fünfte Kraft“, sagt er.

Dauerhaft? So weit will Lafontaine noch nicht gehen. Dafür kann das Bremer Ergebnis nur ein Anfang sein. Aber er sieht jetzt gute Chancen, 2008 auch in die Hamburger Bürgerschaft einzuziehen. Bei der Bundestagswahl 2005 hat die Linkspartei dort 6,3 Prozent erzielt. Auch in den Flächenländern Hessen (2005: 5,3 Prozent) und Niedersachsen (4,3 Prozent) könne die Partei im nächsten Jahr in die Landtage einziehen. In beiden Ländern zusammen hat sie 250 Kommunalmandate, und in jeder größeren Stadt ist sie in Fraktionsstärke im Parlament vertreten. Bayern, wo 2008 ebenfalls gewählt wird, bleibt von den Linken (3,4 Prozent) wohl verschont. Andere Genossen blicken bereits auf die Wahl in Nordrhein-Westfalen im Jahre 2010. „Erst wenn wir dort in den Landtag einziehen, können wir wirklich sagen, dass wir im Westen angekommen sind“, meint die stellvertretende Parteivorsitzende Katina Schubert.

Für Lafontaine hat die Linkspartei jetzt schon die Koordinaten der bundesdeutschen Politik nach links verschoben. Die SPD-Kampagne für einen Mindestlohn, die Korrektur der Grünen bei Hartz IV, die wachsende Zahl von Neinstimmen bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr – „all das würde es ohne uns nicht geben“, sagt er. Dass die SPD aus ihren Fehlern lernt und das an die Linkspartei verlorene Terrain zurückerobert, glaubt Lafontaine nicht. „Weder Beck noch Müntefering noch Struck erkennen, in welch aussichtslose Lage sie ihre Partei manövrieren.“

Was hat den Erfolg der Linken in Bremen eigentlich ausgemacht? Und warum war die Partei selbst davon so überrascht? „Jeden, der uns fast 9 Prozent prophezeit hätte, hätte ich für verrückt erklärt“, sagt Klaus-Rainer Rupp.

Dabei ist Rupp selbst ein Teil der Erklärung für den Erfolg. Angetreten auf Listenplatz zwei, lange Jahre Vorsitzender der Landes-PDS, zum vierten Mal bei einer Bremer Landtagswahl dabei. Er ist 52 Jahre alt, Pfeifenraucher, stets elegant gekleidet – Rupp bildet einen eigenwilligen Gegensatz zum Spitzenkandidaten Peter Erlanson. Erlanson, 47 Jahre alt, zottelbärtiger Krankenpfleger und Diplompsychologe, nach Selbstdarstellung früh „in Kontakt mit der Spontiszene“ gekommen. Die beiden haben viele Journalisten an ein berühmtes Komikerduo erinnert. Dabei wurde übersehen, dass diese Doppelspitze auch als ein Symbol für eine geglückte Fusion von WASG und PDS gelten kann, die es beiden Partnern erlaubt, ihre Eigenheiten zu bewahren.

Punkten konnte die Linke offenbar mit sozialen Themen. Von den Arbeitslosen wählte mehr als jeder Fünfte die Linke (21 Prozent), unter Arbeitern erzielte sie 12 Prozent. Per Unterschriftensammlung hat sie einen Bürgerantrag für ein „Sozialticket“ im öffentlichen Personennahverkehr auf den Weg gebracht. Sie profitierte außerdem davon, dass der Mindestlohn ein zentrales Wahlkampfthema in Bremen war.

Erlanson und Rupp sind außerdem glaubwürdige Vertreter des Globalisierungsprotests. So engagiert sich Erlanson als Vorsitzender der Regionalgruppe Nord bei Attac, Rupp als ehrenamtlicher Finanzreferent der Bundesorganisation. So ist es wohl zu erklären, dass die Linke auch in grünen Milieus gepunktet hat. In der Innenstadt, wo die Grünen bis zu 34 Prozent der Stimmen holten, erzielte sie immerhin 12 Prozent.

Nur das gesamtdeutsche Feiern muss die Linkspartei jetzt noch lernen. Am Montag im Vorstand gab es – Rotkäppchensekt. Mehr Osten geht gar nicht.