: Entführtem deutschem Segler droht Hinrichtung in Jolo
PHILIPPINEN Das Ultimatum der Kidnappertruppe Abu Sayyaf endet an diesem Freitag
VON SVEN HANSEN
BERLIN taz | Die südphilippinische Terrorgruppe Abu Sayyaf droht mit der Hinrichtung ihrer deutschen Geisel Stefan O., sollte die Bundesregierung nicht bis Freitag 15 Uhr Ortszeit (9 Uhr MESZ) die Forderungen der Entführer erfüllen. Die Entführer verlangen die Zahlung eines Lösegelds von 250 Millionen Peso (etwa 4,4 Millionen Euro) und ein Ende der deutschen Unterstützung für Luftangriffe gegen die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) in Irak und Syrien. Im Juli hatte sich Abu Sayyaf dem IS angeschlossen. Bis dahin zählte die Gruppe zum Umfeld des Terrornetzes al-Qaida bzw. zu seinem südostasiatischen Ableger Jemaah Islamiyah (JI).
Der Arzt aus Eltville (Hessen), dessen Alter philippinische Medien mit 70 bis 74 angeben, war im April mit seiner Lebensgefährtin Henrike D. (55) vor der westphilippinischen Insel Palawan entführt worden. Ihre Yacht wurde vor dem südlichen Ort Bataraza verlassen gefunden. Palawan ist wegen seiner unberührten Natur bei Touristen und Tauchern beliebt.
Später hieß es, die deutschen Geiseln seien auf die Insel Jolo gebracht worden. Zuletzt erhöhten die Entführer den Druck. Sie trennten die Deutschen voneinander, sperrten ihre Geisel O. in ein Erdloch und ließen ihn Interviews geben. Darin sagte er, das Erdloch würde sein Grab, blieben die Forderungen unerfüllt.
Die Bundesregierung hat einen Krisenstab eingerichtet und schweigt ansonsten. Die deutsche wie die philippinische Regierung erklären offiziell, keine Lösegelder zu zahlen. Die Regierung in Manila steht nach eigenen Angaben im Austausch mit dem deutschen Botschafter.
Das philippinische Militär hat rund eintausend zusätzliche Soldaten, darunter Special Forces und Hundestaffeln, nach Jolo verlegt. Militärchef Gregorio Catapang erklärte dem Philippine Daily Inquirer, er warte auf den Einsatzbefehl. Doch gebe es noch Gespräche eines lokalen Krisenstabs. Der tagt aber erst wieder am Montag. Der Sprecher von Abu-Sayyaf-Führer Radulan Sahiron erklärte hingegen, verhandelt würde nur mit Außenminister Robert del Rosario, „weil dessen Ministerium nicht korrupt ist“. Das Ultimatum wurde schon einmal verlängert. Militärchef Catapang glaubt deshalb nicht, dass die Geisel wirklich hingerichtet wird.
Abu Sayyaf spaltete sich Anfang der 1990er Jahre von der Moro National Liberation Front ab, der ältesten um Sezession kämpfenden muslimischen Rebellengruppe des Landes. Abu Sayyaf hat nur wenige hundert Bewaffnete auf den Inseln Jolo und Basilan. Die Gruppe macht vor allem mit Terroranschlägen und Entführungen auf sich aufmerksam. Politische Forderungen gelten als Deckmantel. Zu Ostern im Jahr 2000 entführte Abu Sayyaf mehrere Touristen aus einem malaysischen Ressort, darunter die Göttinger Familie Wallert. Diese kam Monate später unter Vermittlung Libyens frei. Wahrscheinlich zahlte Tripolis Lösegeld.
Die philippinische Regierung glaubt nicht, dass Abu Sayyaf wirklich zum IS gehört. Auch die Terrorismusexpertin Sidney Jones vom Institut für politische Analyse und Konflikt in Jakarta vermutet: „Die Erklärung der Gefolgschaft soll wohl das Lösegeld hochtreiben.“ Abu Sayyaf hält derzeit ein Dutzend Geiseln, darunter fünf Ausländer. Mehrfach wurden Geiseln getötet.