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Archiv-Artikel

Einer bewahrt die Ruhe

UMZIEHEN Ein Wohnungswechsel ist für Ältere oft besonders aufreibend. Die Hamburger Umzugsfirma Huus-tu-Huus bietet eine entspannte Rundum-Betreuung

Der Umzugsunternehmer ist von Anfang an dabei und bleibt, bis in der neuen Wohnung die Bilder hängen

VON MARTEN RÖBEL

„Ah nee! Die sind ja alle dahinter gekullert. Ach Gott.“ Vera Luetjens wandert ruhelos durch die leere Wohnung. Auf dem letzten verbliebenen Stuhl in der Küche hat sie es nicht lange ausgehalten. Sie geht von Raum zu Raum und betrachtet die leeren Wände, übrig gebliebenes Geschirr und Handtücher. Es fällt ihr nicht leicht, tatenlos zuzuschauen.

Luetjens ist 68 Jahre alt. Sie steht mit geradem Rücken, ordentlich gekleidet, die rote Halskette passend zum dezenten Make-up. Auf ihren Hamburger Dialekt ist sie eigentlich stolz, manchmal denkt sie aber auch, sie müsse sich schämen, weil sie nicht Hochdeutsch spricht.

Jetzt steht sie mit verschränkten Armen im Wohnzimmer auf dem dunkelroten pakistanischen Teppich. Sie schaut Ulrich Aldinger-Rudloff zu, den sie „den Chef“ nennt. Er und sein Helfer sind dabei, eine Kommode zu zerlegen. Dahinter glänzt es durch eine dicke Staubschicht am Boden. Es klackert, als Luetjens sich nach unten beugt und die bunten Murmeln aufsammelt. Scherben klirren.

Vera Luetjens organisiert den Umzug für ihre 92-jährige Mutter. Die wohnte bisher alleine in einer Zwei-Zimmer-Wohnung im zweiten Stock ohne Fahrstuhl im Hamburger Norden. Anfang September ging es nicht mehr, und sie zog ins Pflegeheim. Ein Mitarbeiter des Heims empfahl Luetjens das Umzugsunternehmen Huus-tu-Huus.

Ulrich Aldinger-Rudloff hat das Ein-Mann-Unternehmen 2007 gegründet. Er ist groß, schlank, hat einen offenen Blick. 42 ist er, wirkt aber jünger. Ruhig und unaufgeregt. Ruft ihn sein Helfer aus dem anderen Zimmer, weil etwas nicht funktioniert, sagt er ruhig: „Ja, ich komme“, und geht rüber.

Aldinger-Rudloff wuchs in Mecklenburg-Vorpommern auf. Angeregt durch den Zivildienst in einem Pflegeheim, studierte er ab 1997 Pflegewissenschaften in Hamburg. Nach dem Studium ist er geblieben, begann für eine Krankenkasse zu arbeiten, machte eine Ausbildung zum Pflegeberater. Später erklärte er Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen, welche Leistungen sie in Anspruch nehmen konnten.

Dieser direkte Kontakt zu Menschen gefiel ihm, aber etwas fehlte. In der Krankenkasse fühlte er sich als „kleines Rad im großen Getriebe“. Er sah keine Möglichkeit, eigene Ideen einzubringen. Außerdem wollte er wieder körperlich arbeiten, wie in seiner Studienzeit. Damals hatte er in einem Nebenjob Umzüge organisiert.

Das tut er jetzt wieder, und da bekommt Aldinger-Rudloff oft mit, dass ältere Menschen überfordert sind, wenn sie pflegebedürftig werden. Bei einem Umzug in ein Pflegeheim oder eine Einrichtung für betreutes Wohnen müssen sie sich um vieles gleichzeitig kümmern: ihren Haushalt auflösen, Pflegeanträge ausfüllen, bei Behörden und Banken die neue Adresse melden. Nicht alle haben Angehörige, die sie dabei unterstützen. Sie brauchen Hilfe, die über den Möbeltransport weit hinausgeht.

Zudem bemerkte Aldinger-Rudloff, dass eine Möglichkeit zur Finanzierung des Wohnungswechsels häufig nicht genutzt wird: Die Pflegeversicherung fördert in bestimmten Fällen Umzüge in eine altersgerechte Wohnung oder eine Einrichtung für betreutes Wohnen. Das ist immer dann der Fall, wenn durch den Umzug ein Einzug ins Pflegeheim vermieden wird. Denn Heimplätze sind für die Kasse teurer als häusliche Pflege. Deshalb unterstützt sie altersgerechte Umbauten in der eigenen Wohnung oder bezahlt den Umzug in eine altersgerechte Wohnung. „Viele wissen das gar nicht, auch viele aus der Branche nicht. Das war der Ansatzpunkt für mich, zu gucken: Was gibt es in dem Bereich noch?“, sagt Aldinger-Rudloff.

So entstand die Idee. Er reduzierte seine Arbeit bei der Krankenkasse und gründete ein Umzugsunternehmen speziell für Senioren. „Da kann ich mein Wissen als Pflegeberater einbringen und auch den Umzug gestalten.“ Wenn die Kunden das möchten, organisiert Aldinger-Rudloff fast alles. Er packt Umzugskisten ein und aus, montiert die Einrichtungen, entrümpelt und renoviert die alte Wohnung. Außerdem übernimmt er alle Formalitäten, wie Ummeldung, Adressänderungen und Nachsendeanträge.

Doch für drei Viertel seiner Kunden macht Aldinger-Rudloff nichts anderes als ein herkömmliches Umzugsunternehmen. Diese Menschen haben einen Partner oder Kinder, die sich um alles andere kümmern. Trotzdem hat Aldinger-Rudloff mehr Anfragen, als er annehmen kann. Die Leute empfehlen ihn gerne weiter.

Woran liegt das eigentlich? Vera Luetjens zum Beispiel hat Erfahrung mit Umzügen: Zehn- oder elfmal hat sie in den letzten Jahrzehnten die Wohnung gewechselt. Jetzt zum ersten Mal mit Huus-tu-Huus. „Mir ist nur aufgefallen, das war so stressfrei. Meine eigenen Umzüge waren immer furchtbar stressig, die standen sehr unter Zeitdruck. Und das war bei Herrn Aldinger eben nicht so.“ Vielleicht ist es das, was seine Kunden an Aldinger-Rudloff schätzen.

Viele müssen sich von einem Großteil ihrer Besitztümer trennen, nach Jahrzehnten in einer Wohnung oder einem Haus. Manche Kommode wird dabei aussortiert, die schon im Schlafzimmer der Großeltern gestanden hat. Das können schwierige, manchmal traurige Entscheidungen sein.

Aldinger-Rudloff nimmt sich Zeit für die Menschen. Er ist bei jedem Umzug vom Anfang bis zum Ende dabei. Er macht die erste Besichtigung in der alten Wohnung, und zum Schluss hängt er in der neuen Wohnung die Bilder auf. „Das gehört irgendwie dazu. Ich finde es wichtig, dass man eine gewisse Beziehung aufbaut. Um mitzubekommen, was den Kunden wichtig ist“, sagt er.

Aber auch er profitiert vom Kontakt mit den Älteren: „Das sind Leute, die sind super dankbar: Man fährt morgens hin, und wenn man abends fertig ist, bedanken sie sich. Und freuen sich, obwohl es ja eigentlich ein unschöner Anlass ist, ins Pflegeheim zu ziehen, oder ins betreute Wohnen. Das ist ein Grund, warum ich das mache.“

Aber zurück zu Frau Luetjen. Der Umzug ist geschafft. Vera Luetjens ist zufrieden. „Nun hab ich aber auch ein Lob bekommen von dem Chef: Ich hätte sehr gut vorbereitet.“ Sie lächelt und freut sich über das Lob. Und wenn sie das nächste Mal umzieht? „Ich bin zwar erst 68, aber ich bin ja Seniorin. Und ich werde wahrscheinlich wieder auf Herrn Aldinger zurückkommen. Weil es so entspannt ist mit ihm.“

Das meiste wird sie wieder selber erledigen, die Kisten packen, herumräumen und beim Umzug ruhelos von Raum zu Raum wandern. Alles, solange es noch geht. Ansonsten – kann das ja auch der Herr Aldinger machen.