Esther von Arabien kehrt in ihre deutsche Heimat zurück

ABSCHIED ARD-Radiokorrespondentin Esther Saoub verlässt Kairo – ein Verlust für Hörer wie Kollegen

Esther Saoub sammelt wie ein Eichhörnchen so viele Geschichten wie möglich ein

Es war immer die gleiche Szene. Da kam diese blonde Frau um die arabische Gassenecke, lächelte, packte ihr Aufnahmegerät aus und begann ein lockeres Gespräch – in virtuosem Arabisch. Und während die Gesprächspartner noch überlegen, wie das alles zusammengeht, hatte sie sie schon für sich eingenommen. Nicht selten wurde die Schwäbin gleich zum Essen eingeladen.

Esther Saoubs feinfühlige, oft thematisch ungewöhnliche Beiträge waren stets etwas für Feinschmecker. Sei es der Bericht vom Frauenstrand am ägyptischen Mittelmeer, die Glosse „Richtig gewickelt“ über Kopftuchmode oder ihr Beitrag über eine saudische Bloggerin.

Das alles geht nun zu Ende: Esther Saoub kehrt turnusgemäß zu ihrem Heimatsender SWR nach Stuttgart zurück.

Als die Kollegin vor fünf Jahren nach Kairo kam, hat sie die deutschsprachige Hörfunkberichterstattung aus der arabischen Welt auf neue Höhen gehievt. Sie kennt sich exzellent in der Region aus, hat eine angenehme Stimme und vermittelt sachkundig Inhalte des komplizierten Nahen Ostens. Die mit einem Syrer verheiratete Mutter von zwei Töchtern spricht nicht nur, sie denkt und träumt wahrscheinlich auch auf Arabisch.

Wenn es darauf ankam, stand Esther Saoub immer an vorderster Front – nie leichtfertig, immer verantwortungsbewusst. Hilfsbereite Kollegin, kompetente Journalistin und Technikerin Marke Eigenbau, wenn sie etwa im Gazakrieg ihre Satellitenanlage im städtischen Krankenhaus von Gaza aufbaute und live über die Familien berichtete, die mit phosphorverbrannten Körpern dort lagen. Immer war sie mit dem Mikrofon ganz nah dran. Vor ein paar Wochen etwa diskutierte sie in Bengasi mit libyschen Jugendlichen über deren Zukunft ohne Gaddafi.

Kollegin Saoub sammelt wie ein Eichhörnchen so viele Geschichten wie möglich ein. Viele haben die Redakteure noch in keiner Agenturmeldung gelesen. Schnell wurde sie zu mehr als einem Geheimtipp für die ARD-Hörfunkfeaturesendeplätze.

Während der Revolution auf dem Tahrirplatz sprach sie mit so vielen Demonstranten wie kaum ein Kollege. Ihr Feature „Tahrir-Befreiung – Ägypter erobern ihr Land zurück“ (zusammen mit Martin Durm) ist wahrscheinlich das beste Stück deutschsprachiger Journalismus über die ägyptische Revolution.

Sie war in Kairo kein Sesselhocker, auch wenn die Fenster ihres Büros einen atemberaubenden Blick über den Nil bieten. Während des Aufstandes gegen Mubarak sah sie am 26. Januar plötzlich Rauch aufsteigen, sagte kurzerhand einen Radiokommentar ab und ging mit ihrem Aufnahmegerät nach draußen.

Anders als ihre Fernsehkollegen haben Radiokorrespondenten für die Öffentlichkeit kein Gesicht und kaum einer merkt sich ihren Namen. Selten bekommen sie Preise überreicht, kaum werden sie in Talkshows eingeladen. Esther Saoub hätte all das verdient – für diese spezielle Mischung aus Kairoer Straßenlärm, einer gut erzählten Geschichte, einem provokanten O-Ton, verschmolzen zu einem aufregenden Klangbild aus dieser fernen und doch so nahen Welt am südlichen Mittelmeer. Schade, dass das nun vorbei ist.

KARIM EL-GAWHARY, KAIRO