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Archiv-Artikel

Crowdfunding – die Kulturförderung der Zukunft?

KRAWATTENTRÄGER Im Podewil traf Kulturstaatssekretär Tim Renner erstmals mit Vertretern von Crowdfunding-Plattformen zum öffentlichen Gespräch zusammen. Dabei zeigte sich vor allem, dass das sich wandelnde Verhältnis von öffentlicher und privater Kulturförderung politisch ein noch wenig beackertes Feld ist

Tim Renner etabliert ein neues Verb: Ich crowdfunde, du crowdfundetest

Kultur ist schön, kostet aber viel Geld. Vor allem für die, die sie machen. Davon gibt es in Berlin viele, und die meisten lassen sich einer weit gefassten „freien Szene“ zuordnen, die nicht von institutioneller Unterstützung lebt, sondern auf projektbezogene Fördermittel des Senats angewiesen ist. Dessen Gießkanne für Geldmittel an die Freien ist jedoch im Verhältnis zum gesamten Kulturaufkommen klein. Viele Kulturschaffende gehen heutzutage andere Wege bei der Geldmittelbeschaffung, suchen nach privaten Sponsoren über Crowdfunding. Aber soll Crowdfunding etwa zum neuen Standard in der Kulturförderung werden? Was ist die künftige Rolle der öffentlichen Hand? Können und sollen öffentliche Kulturförderung und Crowdfunding einander ergänzen? Und wie?

Es ist ein weites Feld an Fragen, und es ist noch weitgehend unbeackert. Zu einem ersten öffentlichen Austausch von Haltungen und Meinungen kamen am vergangenen Freitag im Podewil VertreterInnen von Crowdfunding-Plattformen mit Kulturstaatssekretär Tim Renner zusammen. Der stellte erst einmal gut gelaunt fest, dass er das erste Mal seit Monaten in einem Raum mit so vielen Menschen sei, von denen nur zwei eine Krawatte trügen. Einer von denen ist er selbst; aber zum Ausgleich trägt er Glitzersocken. Als einzige Vertreterin einer Kulturinstitution, die bereits erfolgreich Crowdfunding betrieben hat, sitzt Stefanie Kinsky von C/O Berlin mit auf dem Podium und wird von Renner dafür gelobt, dass das Ausstellungshaus kreativerweise ausgerechnet ein unsexy Thema wie Klimatechnik über Crowdfunding finanziert habe. Kinsky ergänzt, dass tatsächlich mehr als 122.000 Euro auf diese Weise zusammengekommen seien.

Da das Podium ansonsten ausschließlich mit Personen besetzt ist, deren Unternehmen oder Vereine Crowdfunding-Plattformen betreiben, kommen konkrete Beispiel aus der Praxis eher wenig zur Sprache – zur Enttäuschung der Kulturmenschen, die das Publikum ausmachen und die sich von diesem Abend wohl mehrheitlich etwas anderes erhofft hatten, als dass die VertreterInnen von WeTek Berlin, Crowdfans, Startnext und dem German Crowdfunding Network im Chor mit dem Staatssekretär die Sexyness des Massensponsorings betonen. Als irgendwann die Publikumsrunde freigegeben wird, kommt denn auch gleich die Frage, ob man als freier Kulturträger nicht befürchten müsse, dass die öffentliche Kulturförderung sich aus der Verantwortung stehle. Da gibt es erstmals Beifall.

Insgesamt ist Tim Renner anzumerken, dass es weder in der Kulturverwaltung schon eine klare Position zum Themenkomplex gibt, noch dass er selbst das Thema in allen Konsequenzen durchdacht hätte. Auf keinen Fall aber will er diese netten schlipslosen Menschen, die er im Übrigen auch alle duzt, irgendwie verängstigen. Und so kommt es, dass derselbe Mann, der zu Beginn des Abends noch mit glänzenden Augen gepredigt hat, Crowdfunding sei eine tolle Möglichkeit, um eine Fangemeinde zu pflegen, am Ende des Abends – da sind viele schon gegangen – überraschend nachdenklich erklärt, er selbst komme ja aus einer Branche, die durch Massenformate verdorben sei. „Die Menge entscheidet sich gerne mal für eine Menge Mittelmaß.“ Das soll sicher heißen, die Förderung hochwertigen, aber sperrigeren Kulturguts bleibe immer eine Sache der öffentlichen Hand.

Was nur am Rande mal in der Diskussion aufblitzte: Der Berliner Senat ist mit zwei Ressorts – Kultur und Wirtschaft – in das Thema Crowdfunding involviert (der Wirtschaftssenat betreibt die Plattform crowdfunding-berlin.com), die untereinander derzeit noch eher wenig vernetzt sind. Da geht sicher mehr.

Übrigens wird Tim Renner, wenn er das Crowdfunding in öffentlichen Diskussionen weiter so konsequent durchkonjugiert, irgendwann das Verdienst zugeschrieben werden müssen, ein neues Verb im Deutschen etabliert zu haben: Ich crowdfunde, du crowdfundetest, wir haben gecrowdfundet. Irgendwann klingt das dann gar nicht mehr so ungewohnt. KATHARINA GRANZIN