Herbergerin des deutschen Fußballs

NACHRUF Gero Bisanz hat die Frauennationalelf begründet, aufgebaut und zu ihren ersten Titeln geführt. Im Alter von 78 Jahren ist er gestorben

VON MARTIN KRAUSS

Es war viel zu oft zu lesen, als dass man es noch glauben wollte: Gero Bisanz sei der „Herberger des Frauenfußballs“, war zu lesen.

Was mit dem Vergleich zwischen dem ’54er-Weltmeistertrainer und dem ersten Trainer einer deutschen Frauennationalelf angedeutet werden soll, ist nämlich nur die halbe Wahrheit: Bisanz hat zwar, darin Herberger nicht unähnlich, den ersten großen Titel seiner DFB-Auswahl geholt: 1989 Europameister. Und er hat mit dafür gesorgt, dass der Frauenfußball respektiert – und nicht mehr mit schlechten Witzen bedacht wird. Wie Herberger sorgte auch Bisanz in der Trainerausbildung dafür, dass seine Ideen Strukturen prägten.

Aber Bisanz war mehr. Er holte mehr Titel als Herberger. Nach 1989 wurde er mit der DFB-Auswahl noch 1991 und 1995 Europameister und führte in diesem Jahr das Team auch noch zur Vizeweltmeisterschaft.

1982 hatte Bisanz die neu gegründete Frauenmannschaft übernommen. Zu einem Zeitpunkt, als kaum jemand in diesem Land sich ernsthaft mit kickenden Frauen beschäftigen wollte. Die taz etwa hatte 1982 noch keinen Sportteil, der Bisanz’ Projekt wenigstens hätte vermelden können.

Als Bisanz 1982 das Frauenteam aufbaute, waren seine Meriten im Trainergeschäft nicht allzu groß.

Vor allem galt der Mann, der 1935 in Westpreußen geboren wurde, als „Theoretiker“ – womit im Fußball nie etwas Gutes gemeint ist. Bisanz war seit 1971 zuständig für die Fußballlehrerausbildung, die in den Räumen der Kölner Sporthochschule stattfindet. Bis ins Jahr 2000 sorgte er dafür, dass aus – überwiegend –ehemaligen Profikickern Menschen wurden, die ein Team führen konnten, die etwas von Trainingslehre verstanden und sogar mit den Grundlagen von Medizin, Biomechanik und Pädagogik vertraut waren.

Dass sich Bisanz erfolgreichen Fußball nur als Ergebnis von gleichberechtiger Kooperation, von gegenseitigem Respekt und von ernsthafter Beschäftigung mit dem Sujet vorstellen konnte, machte ihn vielleicht für den Männerfußball nicht so attraktiv: Seine Erfolge als Frauentrainer zeigten aber, wie recht er hatte. Ausgeschieden war Bisanz 1996 – nach außen sah das wie der Rücktritt nach einem misslungenen olympischen Fußballturnier aus, aber in Wirklichkeit hatte Bisanz schon vier Jahre lang mit Tina Theune eine gleichberechtigte Bundestrainerin an seiner Seite, die ihn dann als alleinige Chefin ablöste.

Bisanz ging zurück nach Köln, wo er sich umso intensiver um die Trainerausbildung kümmerte – für Frauen und für Männer. Kaum ein Trainer findet sich auf Bundesligaplätzen, der nicht bei Bisanz seine Prüfung ablegen musste. „Es sind immer noch Trainer in der Bundesliga und der Zweiten Bundesliga tätig, die bei mir in der Ausbildung waren“, erzählte er im vergangenen Jahr in einem Interview. „Was auffällig ist, dass viele junge Trainer, die als Spieler gar nicht so in Erscheinung getreten sind, einen sehr guten Eindruck machen. Das hängt sicherlich auch mit einer sehr guten Ausbildung zusammen.“

Am Freitag ist Gero Bisanz im Alter von 78 Jahren in seinem Haus in Overath bei Köln an den Folgen eines Herzinfarkts gestorben.