LESERINNENBRIEFE :
Ganz im Sinne der Industrie
■ betr.: „2 Milliarden fehlen Nährstoffe“, taz vom 14. 10. 14
Der Begriff des „verborgenen“ Hungers wurde maßgeblich von Hans Konrad Biesalski geprägt, der als Professor für Ernährungswissenschaft an der Uni Hohenheim arbeitet. Es ist kein Geheimnis, dass Biesalski eng mit der Nahrungsergänzungsmittelindustrie und insbesondere dem niederländischen Konzern DSM zusammenarbeitet und seine Forschungen oft ganz in deren Sinne ausfallen.
DSM als einem der größten Produzenten von Nahrungsergänzungsmitteln kommt das Konzept des „verborgenen Hungers“ natürlich sehr zupass. Der Konzern wirbt mit diesem Begriff für den Einsatz künstlicher Vitamine in armen Ländern. In Veröffentlichungen benennt DSM die Staaten der „Dritten Welt“ als ausbaufähigen Absatzmarkt für seine Produkte, und das World Food Programme bezieht Mikronährstoffe von dem Konzern.
Neben Nahrungsergänzungsmitteln produziert DSM auch Lebensmittelzusatzstoffe für Fertignahrung, Aromastoffe, Komponenten für Säuglingsnahrung, Futtermittelzusatzstoffe für die „optimierte“ Massentierhaltung und Pflanzenschutzmittel. Außerdem stellt das Unternehmen Kunstharze für militärische Ausrüstungen her und arbeitet mit der Rüstungsindustrie zusammen. Das Management ist personell eng mit Firmen wie Monsanto und BASF verbandelt. DSM hat also mit Sicherheit kein Interesse an Strategien, mit denen der Hunger in Ländern nachhaltig, also in kleinbäuerlichen Strukturen, bekämpft werden kann. REBEKKA OCHMANN, Berlin
Endlich ein anderer Ton
■ betr.: „Mit Gegengewalt erreicht man nichts“, taz v. 18./19. 10. 14
Endlich ein anderer Ton. Zunächst entschuldigte ich die mainstreamartige taz-Berichterstattung über IS mit dem Sommerloch, dann musste ich kriegstreibende Artikel hinnehmen und ärgere mich nun seit Monaten über die Meldungen der Art: Wer redet am meisten über unumgängliche Militäreinsätze. So nur schwer den Ohnmachtsgefühlen entkommen könnend, freut mich das Interview mit Corinna Hauswedell, denn es weist auf die existierenden Alternativen hin. Da sollte doch mehr drin sein. Wie wäre es, wenn die taz nachlegen würde mit Berichten zu zivilem Widerstand, Antimilitarismus, Peacemaker, friedensfördernder Selbstorganisation, gewaltfreiem Anarchismus? GEORG FISCHER, Schefflenz
Her mit der Vermögenssteuer
■ betr.: „Jeder ist ein Sparschwein“, taz vom 18./19. 10. 14
Es enttäuscht mich, dass jetzt auch Ulrike Herrmann, deren kluge Kommentare ich sonst so schätze, in den Ruf nach mehr Staatsverschuldung einstimmt. Die öffentlichen Haushalte in Deutschland haben kein Geld auf der hohen Kante, das dort „verschimmeln“ könnte, sie haben mehr als 2 Billionen Euro Schulden. Das hat zur Folge, dass selbst bei den heute historisch niedrigen Zinssätzen mehr als ein Zehntel des Bundeshaushalts nur für Zinszahlungen draufgeht – eine gigantische Subvention von mehr als 30 Milliarden Euro pro Jahr an die Kapitaleigentümer, durch die der Staat das Geld der kleinen Lohnsteuerzahler an die Reichen umverteilt. Öffentliche Investitionen lassen sich auch anders finanzieren als durch Schulden, zum Beispiel durch die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer. Dadurch würde Geld, das auf den Banken verschimmelt, in Form von öffentlichen Aufträgen und Gehaltszahlungen die Wirtschaft ankurbeln. Aber leider hat die unablässige neoliberale Propaganda von FDP, AfD, Wirtschaftslobbyisten, sogenannten Wirtschaftsweisen und Teilen der Medien ja inzwischen dazu geführt, dass die meisten deutschen Arbeiter glauben, mit jeder Steuererhöhung wolle ihnen die Linke ihre Villa im Tessin wegnehmen. KLAUS BAILLY, Solingen
Nicht alle müssen sparen
■ betr.: „Paris fordert Brüssel heraus“, taz vom 16. 10. 14
Ein Grund, die taz zu lesen, ist, dass sie nicht alles nachplappert, was Politiker von sich geben. Wenn der französische Finanzminister den Klassiker „Alle müssen sparen“ in die Medien trompetet, könnte die rote Lampe aber schon mal blinken. Abgesehen von Sinn und Unsinn der europäischen Sparzwänge in einer Rezession. Der Artikel erweckt den Eindruck, dass Paris 20 Milliarden Euro (bis 2017 sogar 50 Milliarden) irgendwie überall, aber eben nicht im sozialen Bereich einsparen will („Kein Politiker möchte in Frankreich das Sozialmodell infrage stellen“).
Seltsam, anderswo erfahre ich, dass die Kürzungen Familienzulagen, Gebietskörperschaften und Sozialkassen betreffen. Und dann die Aussage, dass die Schmerzgrenze bei den Abgaben für Haushalte und Unternehmen bereits überschritten sei. Bei den Linksradikalen von der FAZ lese ich von 41 Milliarden Euro Entlastungen für französische Unternehmen bis 2017. MICHAEL SCHÖFFSKI, Köln
Gewerkschaft auch der Migranten?
■ betr.: „verboten“, taz vom 17. 10. 14
Nett, wie sich verboten über den Tarifverhandlungsverein bestimmter Bahnbeschäftigter auslässt. Aber: Das ist nicht die „Gewerkschaft der“, sondern DEUTSCHER Lokomotivführer! Ja ja, da darf sich nicht jeder angesprochen fühlen! Die benannten Kaffeeausschenker und anderen KollegInnen mit Migrationshintergrund sollten schon mal nachdenken (auch für die anderen ist das natürlich nicht verboten!), wer hier mit welchem Hintergrund welche Interessen vertritt! MATTHIAS ALTMANN, Nohra-Obergrunstedt