Bauernpräsident will die CMA retten

Viele Landwirte wehren sich gegen die Zwangsabgabe an die Centrale Marketing-Gesellschaft und deponieren ihre Beiträge auf Sperrkonten. So hat sich das Budget der Gemeinschaftswerbung halbiert. Bauernverbandschef Sonnleitner hält dagegen

AUS BERLIN HANNA GERSMANN

„Hexenbiest“, „Lisaluder“ oder „tobbse“ haben eins gemeinsam: Sie chatten im Internet unter www.alleine-kochen-ist-doof.de. Zum Mitmachen animiert eine blonde Frau, die Lippen knallrot geschminkt, zwischen den weißen Zähnen ein Kochlöffel.

Hinter dieser „größten kostenlosen Koch-Dating-Community Deutschlands“ steckt die Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft, die CMA. Das Unternehmen mit 150 Mitarbeitern soll den Absatz von Milch, Fleisch und Gemüse ankurbeln. Die CMA kämpft für guten Geschmack, sagt sie. Derzeit kämpft sie aber vor allem um eins – ihr Budget.

Vermutlich ahnen Hexenbiest, Lisaluder und Co. nicht, wer den Chatroom finanziert: die deutschen Bauern. Und diese wollen ihr Geld nicht mehr hergeben. Vergangenes Jahr haben drei Landwirte gegen die Pflichtabgaben geklagt – und vorläufig recht bekommen. Endgültig soll das Bundesverfassungsgericht im nächsten Jahr entscheiden. Das Gros der Bauern zahlt derzeit nur noch unter Vorbehalt. „Die Beiträge sind damit gesperrt“, beklagte gestern Werner Hilse, der Vositzende des CMA-Aufsichtsrates. Die CMA könne das Geld nicht nutzen. So musste die Reklametruppe ihren Etat dieses Jahr auf 50 Millionen Euro halbieren. Ihre Sprüche – „Ewig lockt das Fleisch“ oder„Schneid Dir was aus den Lendchen“ – waren überall zu sehen, auf Großplakaten und im Fernsehen. Nun hat die CMA ihr Programm gestutzt. Eine Ausnahme gab es für die Milchspots in der ARD-Sportschau. Mit Ende der Fußball-Bundesliga am letzten Wochenende sind allerdings auch sie ausgelaufen. Die „Die Milch macht’s“-Werbung zeigt das Dilemma gut: Die CMA soll den Deutschen Appetit machen – auf Lebensmittel. Ob sich die kostspieligen Kampagnen lohnen, ist jedoch fraglich: Im Jahr 2000 hat jeder Deutsche 63,4 Kilo Milch verbraucht, 2005 waren es nicht viel mehr – nämlich 64,2 Kilo. „Herausgeschmissenes Geld“, sagt Ulrich Jasper von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft – nach bald vierzig Jahren Reklameabgabe.

1969 wurde sie eingeführt. Den deutschen Bauern ging es wirtschaftlich gut, als plötzlich ausländische Bauern mit Obst und Fleisch auf den Markt drängten. Da einzelne Landwirte keine Werbekampagnen initiieren, wurde qua Gesetz der „zentrale Fonds zur Absatzförderung der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft“ gegründet. Er stellt das CMA-Budget. Und die Bauern zahlten fortan pro verkauftem Produkt einen Werbe-Obolus. Pro Schwein sind das derzeit zum Beispiel 51 Cent. Für einen mittleren Betrieb, der im Jahr 500 Tiere verkauft, macht das 255 Euro. Die Bauern wollen sich damit nicht mehr abfinden – zumal die CMA seit 2002 nicht mehr für „Produkte aus deutschen Landen“ werben darf. Der Europäische Gerichtshof hat Hinweise auf die nationale Herkunft im EU-Binnenmarkt verboten. Auch für einzelne Marken darf die CMA nicht werben. Landwirte zweifeln am Sinn.

Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, sieht das anders. Er ist Vorsitzender des Verwaltungsrates des Absatzfonds und sagt: „Zur Marktwirtschaft gehört die Absatzförderung wie das Wasser zum Fisch.“ Alles sei bestens, wenn der Absatzfonds erst neu strukturiert sei.

Hintergrund: Der Bundesrat hat vor anderthalb Wochen eine Novellierung durchgewunken. So soll künftig beispielsweise nicht mehr der Steuerzahler die Gebühreneintreiberei zahlen, sondern der Absatzfonds selbst. Das macht 1,8 Millionen Euro jedes Jahr aus. Nur. Den Fleisch- und Gemüseabsatz kurbeln die CMA-Abgabe und der Chat von Hexenbiest und Co dadurch noch nicht an.