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Archiv-Artikel

DxBxSx & Leyan rocken mal mehr und mal weniger überzeugend

Der Bandname ist schon mal großartig. DxBxSx, das könnte stehen, legt die Webseite des Trios nahe, für: „Die Berliner Strolche“ oder auch „Drei Bier später“. In Wirklichkeit ist es aber dann die Verkürzung von Drive By Shooting. Unter diesem Namen hatten sich die drei einen guten Namen erspielt in Kreisen, die eine Harley Davidson für das einzige menschenwürdige Fortbewegungsmittel halten, Alkohol für ein Grundnahrungsmittel und digitale Klangerzeugung für den Beginn der Apokalypse.

Nun aber, mit neuem Namen und nach der Umstellung auf deutsche Texte, stehen DxBxSx davor, diese Nische hinter sich zu lassen. Mit ihrem Album „Zugriff“ werden sie zu einer Stimme, die unbedingt noch gefehlt hat im Chor gegen die Gentrifizierung. In nicht so sehr breitem, aber schön prolligem Berliner Tonfall berichtet Tom „Angel“ Haarbrücker, wie das so zuging in Kreuzkölln, bevor diese Typen mit „Seitenscheitel hinten kurz, die Brille ohne Gläser“ auftauchten, und kackt weiter fröhlich in alle Ecken. Die Grünen und all die anderen Gesundheitsapostel, die einem das Rauchen verbieten wollen, kriegen ihr Fett weg, die Touristen sowieso („Berlin ist sooo geil“), genauso wie „die unpolitische Jugend“, denn „sie halten Feiern für ’ne Tugend“ und denken, für ihre Zukunft stellt sich nur die Frage „Hartz IV oder Superstar?“.

Dazu rattern die Gitarren, als wär es 1972, und wenn die Band nicht besonders breitbeinigen Schweinerock mit von MC5 geklauten Riffs spielt, gibt sie sich alle Mühe, die frühen, grobschlächtigen, parolenhaften Ton Steine Scherben nachzustellen. Das passt, denn Haarbrücker singt wie der junge Rio Reiser: „Ich muss kämpfen, weil Mauern einzureißen sind, ich muss kämpfen, weil dieses Leben stinkt.“ Der Nihilismus, von DxBxSx zum Glück gewürzt mit gehörig Selbstironie, ist also zurück. Nun, da die Schwaben nicht mehr nur die einschlägigen Stadtbezirke, sondern auch noch das Protestieren übernommen haben, bleibt einem wohl wirklich nichts anderes mehr übrig.

Im Vergleich zur animalischen Kraft von DxBxSx wirkt das durchdachte Musikantentum von Leyan arg angestrengt. Auf ihrem Debüt „Dancing Sculptures“ ist überdeutlich zu hören, dass der Vater von Sänger Christoph Ecke, ein renommierter Filmkomponist, an den Songs mitgeschrieben, dass Gitarrist Marc Hassdenteufel in Boston Jazz studiert und Schlagzeuger Ilir Mulaj an der Berliner Universität der Künste gelernt hat, wie er sein Instrument bedienen soll.

Das führt nun dazu, dass „Dancing Sculptures“ sich zwar immer großartig, aber meistens auch ziemlich belanglos anhört. Wohltemperierte Rockmusik, anspruchsvoll instrumentiert, fantasievoll arrangiert und bisweilen eben erschreckend langweilig. Dazu englische Texte, in denen so spannende Themen wie Herzeleid und Einsamkeit verhandelt werden. Wenn die Liebe frisch ist, dann donnern die Gitarren, wenn sie vorbeigeht, dann klimpert einer auf dem Klavier. Rockmusik, darauf läuft es hinaus, kann sich prima anhören. Aber aufregend wird sie erst, wenn sie etwas zu sagen hat, so wie DxBxSx. THOMAS WINKLER

■ DxBxSx: „Zugriff“ (Elektrohasch), live: 21. 6., Fete de la Musique/Jägerklause; Leyan: „Dancing Sculptures“ (Noizgate), live: 18. 6., Frannz Club