piwik no script img

Archiv-Artikel

Badener wollen nicht Französisch lernen

Kultusminister plant Pflichtfach an grenznahen Gymnasien, Opposition und Elternvertreter fordern Wahlfreiheit

BERLIN taz ■ Das Vorhaben der baden-württembergischen Landesregierung, an den Gymnasien in Grenznähe verpflichtenden Französischunterricht einzuführen, ruft wachsenden Widerstand hervor. Eine Gruppe von Eltern will gegen das Vorhaben von Kultusminister Helmut Rau (CDU) klagen, den in der Grundschule begonnenen Französischunterricht an 60 öffentlichen Gymnasien für mindestens drei Jahre fortzusetzen. Ausnahmen sind nur an sieben humanistischen Gymnasien möglich.

Auch der Landeselternbeirat Baden-Württemberg spricht sich gegen jeglichen Zwang bei der Sprachenwahl aus. An der Rheinschiene lernen derzeit 61.000 Schüler an 470 Grundschulen ab der ersten Klasse Französisch, im Rest des Landes wird Englisch gelernt. Diese Trennung hat der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof im Dezember 2002 für rechtmäßig erklärt. Allerdings nur, wenn die Wahlfreiheit an weiterführenden Schulen gewährleistet bleibt.

Mit dem Zwang, ab der fünften Klasse weiter Französisch zu lernen, ist diese Wahlfreiheit nach Meinung der baden-württembergischen SPD-Vorsitzenden Ute Vogt nicht mehr gewährleistet: „Schulen sollen auch bei den Fremdsprachen ein eigenes Profil entwickeln können.“ Im ganzen Land könnten Gymnasien ihre Fremdsprachenpolitik selbst bestimmen – nur nicht am Rhein. Bei einem Umzug von Karlsruhe nach Stuttgart kämen auf einen Gymnasiasten zudem große Probleme zu. Er müsste vier Jahre Englischunterricht nachholen.

Derzeit planen 32 Gymnasien, Englisch schon ab der fünften Klasse als zweite Fremdsprache einzuführen. Spätestens ab der sechsten Klasse müssen sie es. „Mit zwei modernen Fremdsprachen kommt dann eine ungeheure Sprachbelastung auf die Fünftklässler zu. Eher naturwissenschaftlich begabte Schüler fallen da leicht durch den Rost“, sagt Sylvia Wiegert vom Landeselternbeirat. Ein Sprecher des Kultusministeriums erkennt aber keine Überforderung der Kinder: „Sie bringen die Französischgrundlagen ja schon mit.“

Auch innerhalb der Regierungspartei regt sich Widerstand. Die Junge Union Karlsruhe-Land hat Anfang Februar eine Onlineprotestaktion gestartet, bei der schon rund 2.500 Unterschriften gegen den Französischzwang gesammelt wurden. „In unserer technologieorientierten Region ist Englisch die Sprache schlechthin“, meint der Kreisvorsitzende Dominic Rosowitsch. Auch die CDU-Landtagsabgeordnete Katrin Schütz unterstützt sein Anliegen.

Eine Grünen-Anfrage beantwortete Kultusminister Rau zuletzt damit, dass das Kabinett bereits im Mai 2000 eine Fortsetzung der Grundschulfremdsprache im Gymnasium festgelegt habe. MARTIN MÜLLER