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Archiv-Artikel

„Große Geheimniskrämerei“

DISKUSSION Die Friedrich-Ebert-Stiftung debattiert über die umstrittenen Freihandelsabkommen

Mechthild Schrooten

■ ist Professorin für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Geldpolitik und Internationale Wirtschaft an der Hochschule Bremen.

taz: Frau Schrooten, Sie diskutieren heute über die Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA). Sind die nur Fluch oder auch Segen?

Mechthild Schrooten: Sie sind ein Fluch im Gewand des Segens. Das ist aus meiner Sicht ziemlich eindeutig. Die Risiken überwiegen klar gegenüber den Chancen.

Und die Chancen liegen wo?

Wenn es zum Abbau von Handelshemmnissen kommt, sinken die Transaktionskosten – davon profitieren Im- und Exporteure. Dabei geht es vor allem um Zulassungsverfahren.

Etwa für die viel zitierten Chlorhühnchen, die aber wohl doch nicht kommen?

Unser Verbraucherschutz passt zu unserem Rechtssystem, und der amerikanische zu dem dortigen. In den USA gilt die Beweislastumkehr: Der Staat kann nur solche Produkte vom Markt nehmen, deren Schädlichkeit er nachweisen kann. Dementsprechend gibt es auch eine andere Haftung. Das ist das Resultat aus unterschiedlichen kulturellen und rechtlichen Traditionen.

Lassen die sich angleichen?

Zwangsläufig gibt es da große Verwicklungen. Einfacher wäre es, Zulassungsverfahren zu harmonisieren. Aber das wird nicht geschehen.

Sondern?

Das ist die Frage! TTIP ist ja eine einzige große Geheimniskrämerei. Wir erfahren das alles erst, wenn der Vertrag fertig ist. Aber: Wenn ich zu den Gewinnerinnen gehören würde, würden sie mir das doch bestimmt erzählen wollen. So wird es weiten Teilen der Bevölkerung ergehen. Profitieren wird sicher die Chemiebranche, eines unserer Exportbeine.

Auf Kosten der Schwächeren.

Bei den letzten Freihandelsabkommen war das so. Insofern ist eine neue Runde des Verteilungskampfes und der Privatisierung zu erwarten. INTERVIEW: JAN ZIER

19 Uhr, Villa Ichon