piwik no script img

Archiv-Artikel

St. Petersburg hautnah

Zum 50. Jubiläum der Städtepartnerschaft zwischen Hamburg und St. Petersburg gibt es in den nächsten Wochen viel Kultur aus der russischen Metropole zu erleben. Den Auftakt macht das Festival „Zoom St. Petersburg“

Seit 50 Jahren existiert nun schon die Städtepartnerschaft zwischen Hamburg und dem heutigen St. Petersburg – das zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses 1957 noch Leningrad hieß. In den kommenden Wochen wird das Jubiläum in beiden Städten mit einem vielfältigen Programm groß gefeiert. In Hamburg gibt es dabei vor allem Theater, Konzerte, Kino, wissenschaftliche Symposien und Kulinarisches aus der Stadt an der Newa zu entdecken.

Den Auftakt macht am Samstag das vom Datscha-Projekt in Zusammenarbeit mit St. Petersburger Clubs organisierte Festival „Zoom St. Petersburg“, das die faszinierende Underground-Kultur und das Szeneleben – die sich im ehemaligen Leningrad im Gegensatz zu Moskau seit den 80ern relativ frei entwickeln konnten – eine Woche lang in fünf Hamburger Clubs präsentiert. Gemeinsam mit dem „Moloko“, dem „Klub Purga“, der „DK Lensoveta“, dem „Klub Griboedov“ und der „Galerie des Experimentellen Sounds“ wurde ein Programm ausgearbeitet und in „inhaltlich passende“ Hamburger Clubs übertragen. Von unvermeidlichen Übersetzungsfehlern einmal abgesehen, war St. Petersburger Partykultur, Musik und Szeneleben hier noch nie unverfälschter zu erleben.

Eröffnet wird das Festival am Samstag mit einer ausgelassenen Hommage an die Clublegende Moloko. Den Club gibt es eigentlich gar nicht mehr, für zehn Jahre galt er aber unbestritten als der beste Underground-Liveclub St. Petersburgs. Lokalmatadore wie „Markscheider Kunst“, „Tequillajazz“ oder „Spitfire“ waren in den spärlich dekorierten, kleinen Räumen genauso zu Hause wie das mit Abstand bunteste Publikum der Stadt. Ob man dergleichen auch vom Knust mit Fug und Recht behaupten kann, sei einmal dahingestellt. Die Band aber, die es dort zu hören gibt, macht dem Moloko in jedem Fall alle Ehre. „Pep-See“ sind nach Selbstauskunft eine „extreme Pop-Band“. Schrägen Humor verpacken die drei Frontfrauen in schnellen, melodischen Elektropop russischer Provenienz. Damit landeten sie trotz aller Ironie sogar schon in den russischen Charts.

Ordentlich gefeiert wird auch am nächsten Tag, wenn der Klub Purga mit einer Performance im Nachtasyl des Thalia Theaters zu Gast ist. Die Gruppe von KünstlerInnen und DesignerInnen feiert ebenso phantasievoll wie skurril jeden Tag unter der Anleitung des „Art-Trio Purga“ mit burlesker Musik das klassische russisch-sowjetische Neujahrsfest – nebst literweise Krim-Sekt, Geschenken, Verkleidungen und natürlich einer Präsidentenansprache im Fernsehen.

Im Körber-Forum präsentiert sich dann am Donnerstag die Galerie des Experimentellen Sounds. Der Club ist eng verwandt mit dem „Art Center Puschkinskaja 10“, dem Zentrum der St. Petersburger Neo-Avantgarde. Folglich hört man hier neben Rock vor allem experimentelle Musik und Free Jazz oder sieht sich Filme an. Zu hören gibt es im Körber-Forum Konzerte der Bands „ZGA“ und „Nado Podumat“, beide für ihre eigenwillige Kombination aus Noise, Pop, Free Jazz und Improvisation bekannt.

Livemusik gibt es auch am Freitag. Der Club DK Lensoveta – die zentrale Konzerthalle St. Petersburgs – bespielt einen Tag darauf die Fabrik mit Konzerten von „Auktyon“ (Foto) und „N.O.M.“ – beide Heroen des Undergrounds an der Newa. Das „Mini-Theater“ N.O.M. ist dabei der mit Abstand schillernste Vertreter. Ihre theatralisierten Shows vermischen musikalisch die unterschiedlichsten Klischees von abstraktem Rock bis zu Elektro-Punk, dazu wird sowohl mimisch als auch mit grotesken, ständig gewechselten Kostümen ordentlich durchgedreht. Auktyon (Foto) wiederum bieten eine hübsche Mischung aus Punk-Rock, Free Jazz und Weltmusik russischer Prägung, stehen N.O.M. in puncto Energie und Wahnsinn in nichts nach und präsentieren zudem ihr lang ersehntes neues Album „Devushki poyut“.

Zum Abschluss präsentiert sich der Klub Griboedov im Fundbureau. Gegründet vor elf Jahren von den Mitgliedern der Band „Dva Samoleta“ in einem ehemaligen Luftschutzbunker im Zentrum St. Petersburgs, gilt der Club heute als einer der beliebtesten der Stadt. Würdig vertreten wird der Griboedov von den Gründern höchstpersönlich. „Dva Samoleta“ sind mit ihrer Mischung von Ska über Sukkos, Reggae, Rock und Funk bis zu „russischem Afro“ seit 15 Jahren nicht mehr aus der russischen Musikszene wegzudenken.

ROBERT MATTHIES

Sa, 26. 5. – 5. 6.; Programm unter www.zoom-spb.de