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Archiv-Artikel

Eine ungewöhnliche Ost-West-Liebe

Anhänger des 1. FC Union unterstützen den Berliner Schlittschuh-Club. Die Fußball-Fans besuchen nicht nur die Spiele, sie geben auch Geld und stellen Ordnungshüter. Doch mit der Anhängerschaft nehmen auch die Probleme zu

Wo hat der ruhmreiche Berliner Schlittschuh-Club (BSchC) bloß diese viele Fußballfans geleast? „Unter den 204 Zuschauern waren bestimmt 200 Unioner“, staunte Martin Ohme, Abteilungsleiter Eishockey beim BSchC, über die Unterstützung von den Rängen beim mit 9:2 gewonnen Heimspiel gegen Harsefeld.

Nicht genug damit: Die Trikots des Deutschen Eishockey-Rekordmeisters, der seinen 20. und letzten Titel 1976 holte und danach bis in die Fünftklassigkeit abstürzte, ziert Reklame von „Virus“. Das ist eine Gruppierung des 1. FC Union, dessen Geldgeber-Vereinigung „Eiserne Kameraden“ auch die Schlittschuhläufer unterstützt.

Eine ungewöhnliche Ost-West-Liebe, die da zwischen den Köpenicker Fußball-Unionern und dem Eiseiligen aus legendären Sportpalast-Zeiten besteht. „Der Schlittschuh-Club ist halt Berlin und einfach cool“, erklärt Unioner Daniel Lange, der mit Freunden vor zwei Jahren den spartenübergreifenden Deal einfädelte. „Wir waren bei einem Spiel des Schlittschuh-Clubs in der Paul-Heyse-Straße. Die Trikots der Spieler sahen einfach scheiße aus. Da sagten wir: Dagegen muss man was tun!“

In der laufenden Verbandsligasaison unterstützen die „Eisernen“ die Eishockey-Mannschaft mit 5.000 Euro. „Wir sind kein Sponsor, sondern leisten Hilfe zur Selbsthilfe“, sagt Lange. „Union-Fans waren früher schon Schlittschuh-Club-Fans. Sie wollten auch in der fußballfreien Zeit einen Verein haben, zu dem sie gehen konnten“, erzählt BSchC-Abteilungschef Ohme. Sie suchten – und entschieden sich für den vermeintlich größten Hauptstadt-Nenner im Eishockey. „Der Schlittschuh-Club wird als Gesamtberliner Verein wahrgenommen“, beteuert Martin Ohme.

Das kann man von anderen Vereinen nicht sagen: Der Branchenriese EHC Eisbären, amtsenthobener Deutschmeister aus Hohenschönhausen, ist den Unionern wegen seiner Dynamo-Gene suspekt. Der verblichene BSC Preussen aus der abgerissenen Eissporthalle an der Jafféstraße wurde jenseits der Spree stets als „Westberliner Frontclub“ abgetan. Bleibt also der Schlittschuh-Club, trotz Liga fünf.

Bei Förderbeginn spendierten die unionierten „Kameraden“ ihren Freunden auf dem Eis zwei Sätze Spielkleidung, die die klamme Clubkasse sonst mit 3.000 Euro belastet hätten. Auch als Ordnungsdienst springen die Köpenicker ein.

So schön die Zusammenarbeit ist – mit steigender Anhängerschaft nehmen auch die Probleme zu. Die Heimpartie am Sonnabend gegen die Bremen Pirates musste der BSchC in der Deutschlandhalle unter Ausschluss der Öffentlichkeit austragen. Einige Zuschauer hatten zuletzt über die Stränge geschlagen, das Rauchverbot in der Heyse-Halle missachtet oder Bier aufs Eis fließen lassen. „Wir sind einfach zu viele geworden“, sagt Lange.

Wie lange der Rekordmeister noch von den Fußballern zehren kann, ist ungewiss. „Es gibt keinen Vertrag, nur eine Kooperation“, sagt BSchC-Abteilungsleiter Ohme. Was seine Mannschaft bräuchte, wäre ein klassischer Sponsor, meint er. Einer, „der für eine Saison 10.000 Euro auf den Tisch legt und sagt: So, jetzt steigt mal schön in die Regionalliga auf.“ Bis dorthin dürfte die Unterstützung aus dem Fußballlager kaum reichen.JÜRGEN SCHULZ