: Personifizierte Linksunion
Jean-Luc Mélenchon weint seinem Exgenossen Dominique Strauss-Kahn keine Träne nach. Der 59-Jährige hatte ja schon zu Beginn des Jahres gewarnt, mit dem „Unsozialistischsten“ unter den Sozialisten als Präsidentschaftskandidaten gerate die französische Linke „direkt in ein Desaster“. Nun kann Mélenchon sagen, er habe ja wie immer zu Recht gewarnt. Da gleichzeitig zu seiner Linken der trotzkistische „rote Briefträger“ Olivier Besancenot (NPA) nicht mehr bei den Wahlen antreten mag, fühlt Mélenchon als Präsidentschaftskandidat Flügel wachsen. Nach der von ihm gegründeten Linkspartei (Parti de Gauche) haben ihn nun auch die französischen Kommunisten (Parti Communiste Français) als gemeinsamen Kandidaten der Wahlallianz „Linksfront“ bestätigt. Hatten ihm Umfragen bisher 5 Prozent der Stimmen vorausgesagt, peilt er jetzt sehr selbstbewusst 10 Prozent, wenn möglich mehr als die Grünen, an.
Auch die politischen Probleme der EU, des Euro und des Neokonservatismus für die Arbeitsplätze in Frankreich hat er vorausgesehen. 2005 stand er an der Spitze einer antiliberalen Linksunion, die bei der Volksabstimmung den EU-Verfassungsentwurf siegreich bekämpfte, während seine damalige Partei, die Parti Socialiste, die EU-Verfassung unterstützte. Diese Kampagne war sein politisches Startkapital, als er sich nach dem Vorbild von Oskar Lafontaine 2008 mit einer „Linkspartei“ selbstständig machte.
Mélenchons eigene Laufbahn ist allein schon eine historische Linksunion, denn er begann wie der spätere Premierminister Lionel Jospin als Trotzkist. Ende der Siebzigerjahre schloss er sich wie dieser den Sozialisten unter François Mitterrand an. Jospin dankte ihm 2000 seine Loyalität mit einer Ernennung zum Minister für Berufsbildung.
In den Medien tritt Mélenchon im Stil eines Volkstribuns auf, der auch populistische Töne nicht scheut: „Ich bin der Kandidat für die Teilung des Reichtums, für die (zu gründende) Sechste Republik und für eine ökologische Planung.“ Und wenn die Franzosen seiner „friedfertigen demokratischen Bürgerrevolution“ zustimmen, werde er diese „mit eiserner Hand durchführen“. Da ist er dann wieder ganz Trotzkist. RUDOLF BALMER