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Archiv-Artikel

Klingt so himmlisch Joghurt-leicht

Diane Weigmann gründete die Lemonbabies. Jetzt hat sie ein zweites Solo-Album gemacht und ihren Hang zur Lebensfreude intensiviert

VON THOMAS WINKLER

Ertragen Sie Menschen, die immer total positiv sind, nur schwer? Bekommen Sie Pickel, wenn Ihnen jemand tief in die Augen blickt und sagt: „Menschen sind das Wichtigste, ein gutes Gespräch das Spannendste“? Oder sie gleich so ansingt: „Dir kann nichts passieren, weil du Freunde hast.“?

Dann sollten Sie jetzt lieber nicht weiterlesen. Es würde Ihnen die Laune verderben. Und das würde Diane Weigmann nun gar nicht wollen. Denn die will lieber „leicht durchs Leben kommen“, wie sie sagt und dazu in ihrem Schöneberger Stammcafé an einer Tasse Rooibos-Tee nippt, sich noch eine Zigarette dreht und des Lebens freut. Warum auch nicht, denn das „Musikgeschäft hält jung“, aber sogar „das Älterwerden“ findet die 33-Jährige „total geil“.

Man sieht, Diane Weigmann ist eindeutig ein Glas-halb-voll-Typ. Ihr neues, zweites Solo-Album „Im Zweifelsfall noch immer“ trägt nicht nur einen gnadenlos optimistischen Titel und ist nicht nur verpackt in ein romantisches, an Schlagerplatten aus den seligen Siebzigern erinnerndes Cover, sondern wartet auch wieder mit grundsätzlich heiteren Songs auf. In denen bauen Verehrer bei minus 20 Grad Schneemänner auf ihrem Fensterbrett, während die Musik daherschmeichelt wie ein winterliches Kaminfeuer. So kennt man Weigmann schon seit ihren Anfängen mit den Lemonbabies, wo sie die mit den rot gefärbten Haaren war. Die trägt sie bis heute in derselben Farbe, und auch ihre Lieder sind noch genauso rosarot wie damals, auch wenn sie nicht mehr englisch, sondern deutsch betextet sind.

Mit den deutschen Texten hat sie bereits begonnen während ihrer Zeit bei den Lemonbabies, die es seit 1989 gab und die seit 2002 auf Eis liegen. Schon damals verfasste sie immer wieder Lieder im Auftrag, unter anderem für Yvonne Catterfeld, Juli und Thomas D. Doch ein ganze eigene vollständige Platte auf Deutsch war erst ihr 2005er Solo-Debüt „Das Album“, das sich zwar nur zwei Wochen in den Charts platzieren konnte, aber immerhin auf einen gewissen Paul Weller enormen Eindruck machte. Ausgerechnet einer ihrer – neben Elvis Costello – beiden größten musikalischen Helden lud Weigmann dann höchstpersönlich ein, mit ihm auf Tournee zu gehen. Kein Wunder, dass Weigmann an das Gute glaubt.

Und was sagt Weigmann all denen, die glauben, dass die Kunst nur aus dem Leiden, der Selbstzerfleischung erwachsen kann? Sie sagt: „Man kann sich mit seinen eigenen Problemen in Mühlen hineinzerren, die einen vom Leben abhalten.“ Und wer es bislang noch nicht begriffen hat, dem buchstabiert sie es noch mal: „Ich will keine Jammersongs schreiben.“ Und das hat sie auch wirklich nicht getan. Sanfte Gitarren erklingen auf „Im Zweifelsfall noch immer“, das Schlagzeug trödelt gemächlich dahin, Sitar und Kuhglocke haben sich eingeschlichen, und Gitarrenpop driftet bisweilen in den harmlosesten Wohlklang ab. Und Weigmann singt, in einem Song, der den so schlichten wie schönen Titel „Drüberstehen“ trägt, Dinge wie: „Wenn es heut nicht passiert, passiert es morgen/ Wenn es morgen nichts wird, gibt’s ein nächstes Mal“. Man fragt sich, woher diese Frau ihren unerschütterlichen Optimismus nimmt, und wird auch schon ein wenig neidisch.

Trotzdem kann man, wenn man genau hinhört, auch eine Melancholie auf dem Album hören, die immer, nahezu unbemerkt, mitschwingt in diesen Liedern, in denen geliebt und verlassen wird, gelebt und gestorben, aber immer wieder ein neuer Morgen einen neuen Tag verspricht, der bestimmt wieder grandios und einzigartig und lebenswert sein wird. Denn auch die in jedem Sinne des Wortes blauäugige Weigmann hat ihre schweren Tage erlebt: Der oft apostrophierte Durchbruch mit den Lemonbabies kam nie, nach einer Tournee musste sie sich die Stimmbänder operieren lassen, und im vergangenen Jahr hat sie im Freundeskreis einige Schicksalsschläge erlebt. All das hat sie verarbeitet zu dieser Platte, denn „nur wer die Schattenseiten kennt“, spricht sie weise, „kann die kurze Zeit auf dieser Welt zu schätzen wissen“.

Weigmann weiß selbst, dass sie eine Meisterin der „einfachen Kommunikation“ ist, um nicht zu sagen: der vereinfachenden Kommunikation. Nur: „Das, was mir als Naivität vorgeworfen wird, das nenne ich Leichtigkeit.“ Eine unironisch gemeinte Leichtigkeit, in der sie sich „auf Augenhöhe“ mit ihrem Publikum fühlt, das ihr wiederum ihren „Mut zum Gefühl“ dankt und nur manchmal mit arg persönlichen E-Mails zu nahe rückt.

Allein „der Musikpolizei, die intellektuelle Ansprüche stellt, der kann ich nicht gerecht werden“, sagt sie, und ihr offenherziges Grinsen ist so überzeugend, dass man ihr sofort glaubt, dass solche Kritik zum einen immer seltener wird und ihr zum anderen ziemlich egal geworden ist nach mittlerweile 18 Jahren im Musikgeschäft. In dem hat sie sich ein Auskommen gesichert, und dafür ist sie dankbar. Sehr dankbar. Ja sogar „total glücklich“. Denn Diane Weigmann sieht die Dinge nun mal gerne ausdrücklich positiv.

Diane Weigmann: „Im Zweifelsfall noch immer“ (Warner) Diane Weigmann spielt heute neben Angélique Kidjo, Pink Martini, Noa und Laura López Castro auf dem „Sister Soul Summit“ (G-8-Konzert von Oxfam) im Kesselhaus, Kulturbrauerei (19.30 Uhr)