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Archiv-Artikel

Von der Flora zur Fauna – und zurück

Zoo zu verkaufen: Eigentlich ist Bremen Deutschlands einzige Großstadt ohne richtigen Tierpark. Nur in einem Huchtinger Gartencenter wurden jahrzehntelang Löwen und Elefanten gezüchtet, um den Primel-Umsatz zu erhöhen. Seit drei Jahren wird ein neuer Multiunternehmer gesucht

Bremens Tierleben

Zoos haben ihre Wurzeln in der Sammellust einzelner Herrscher oder dem regen Handel mit exotischen Ländern. Die Bremer Kaufleute gründeten zwar ein reich gefülltes Kolonialmuseum (das heutige „Übersee“), hatten aber kein Händchen für den Import lebender Tiere. Über einen Zoo im herkömmlichen Sinn verfügte Bremen denn auch nur von 1968 bis 1975, als er wegen Insolvenz geschlossen wurde. Auch andere zoologische Versuche scheiterten: Der im Bürgerpark gelegene „Tierkinderzoo“ existierte lediglich zwischen 1933 und 1939. Dem 1927 eingerichteten Aquarium im „Übersee“ wurde 1985 das Wasser abgelassen. Ökonomisch erfolgreicher ist die Geschichte des Bremerhavener Tierlebens: Aus dem Aquarium im Keller der Strandhalle entwickelten sich zunächst die „Tiergrotten“, im Jahr 2000 der Seehund-, Eisbär- und Affen-orientierte „Zoo am Meer“. Wegen seiner Lage direkt am Deich ist er räumlich jedoch eng begrenzt. Bremer Familien, die einen Großzoo besuchen wollen, bleibt die Wahl zwischen Hannover und Hamburg: An der Leine zahlt eine Familie mit zwei Kindern (ab drei Jahren) 65,20 Euro Eintritt. Im Tierpark Hagenbeck sind die Einzeltickets zwar teurer, die Familienkarte aber um bemerkenswerte 20,20 Euro günstiger. HB

AUS BREMEN-HUCHTING HENNING BLEYL

Der „Löwe von Huchting“ ist in Bremen ein doppelter Mythos. Zum einen schmückt sich der lokale Box-Champion mit diesem Titel, in seiner zoologischen Variante kursiert er als Geheimtipp unter Eltern. Bremen ist nämlich die einzige unter Deutschlands zehn größten Städten, die über keinen Tierpark verfügt. Da verfrachtet man seinen Nachwuchs gern bis an den südlichen Stadtrand, um Tiere zu bestaunen – auch wenn der Löwe selbst mittlerweile durch einen italienischen Safari-Park streift. 256 Tiere aus 25 Arten sind ja noch da, darunter zahlreiche Menschenaffen, Nandus, die bei Kennern hochgeschätzten Hyazinth-Aras und eine gewaltige Tigerpython.

Offiziell firmiert die 1,2 Hektar umfassende Anlage als Gartencenter. Das ist sie auch: Wer hier seine Primeln kaufen will, scheint gut beraten, dazwischen aber stehen bambusbewachsene Häuser mit elegant turnenden Gibbons, grünen Meerkatzen und allerlei Eulen. Die kleinen Töpfe mit winterhartem Efeu werden von der Python bewacht, „das hier gezeigte Tier hat derzeit eine Länge von vier Metern“, informiert eine Holztafel. Nicht weit davon türmen sich Rosenquarze und Amethyste, das halbe Gewächshaus, das früher die Löwen bewohnten, ist samt Freigelände zum Areal der straußenartigen Nandus geworden.

Der Schöpfer der prächtigen Gesamtanlage heißt Josef Vida. Die Hornhaut seiner Hände macht haptisch erfahrbar, dass der 64-Jährige „seit dreißig Jahren keinen Urlaub“ hatte. Dafür hat er Gehege gebaut: zuerst für die kleinen Elefanten, dann für die Affen, mittlerweile sind es 36 Bauten. Warum? Ursprünglich sollten die Tiere den Umsatz steigern, aber de facto zahle er monatlich um die 10.000 Euro drauf, sagt Vida achselzuckend. „Mit Tieren kann man keine Geschäfte machen.“ Erwachsene zahlen – zur Verrechnung – drei, Kinder 1,25 Euro Eintritt. Kein schlechter Preis in Zeiten, in denen Familien etwa im Hannoverschen Zoo 65,20 Euro hinlegen müssen.

Spontan bedankt sich eine pensionierte Lehrerin für die „einmaligen Lernchancen“, die ganze Generationen von Schülern im Gartencenter gehabt hätten. Zwar gibt es im „Bürgerpark“ im edlen Schwachhausen ein kleines Wildgehege, aber dass Huchting mit seiner über 20-prozentigen Arbeitslosigkeit über Bremens einziges zooähnliches Gebilde verfüge, habe schon einen besonderen Wert.

Seit drei Jahren steht das Ganze zum Verkauf. Das Geschäft hat keinen Nachfolger, Vidas Sohn hat sich letztlich doch für die Computerbranche entschieden. Für Wolfgang Apel, den in Bremen ansässigen Bundesvorsitzenden des deutschen Tierschutzvereins, ist Bremens Zoolosigkeit freilich ein dickes Plus: „Wildtiere gehören ausnahmslos in die Natur“, sagt Apel kategorisch. Vida widerspricht nicht. Allerdings sei ihm diese Erkenntnis erst im Lauf der Zeit gekommen. Eines unterscheidet Zoobesitzer und Tierschützer freilich immer noch: Während Apel ein komplettes Zuchtverbot für Zoos fordert, gehört die Paarung für Vida zu einer möglichst artgerechten Haltung. Außerdem würden 80 Prozent der in Deutschland lebenden Zootiere mittlerweile im Zoo geboren – auch das entlaste die Natur.

Die Behörden haben seine Anlage stets anstandslos genehmigt, in all den Jahren habe es nie eine Beschwerde gegeben. In der Tat lobt auch auch die Redaktion von www.zoo-infos.de, die die gut 300 deutschen Zoos listet und regelmäßig besucht, die Privatanlage: „Die Tiere leben in nicht sehr großen, aber liebevoll gestalteten Gehegen und Volieren.“ Problematisch sei allerdings die „relativ große“ Zahl an Handaufzuchten, wodurch kaum zu vergesellschaftende Einzeltiere heranwüchsen. Diese Kritik teilt auch Thorsten Schmidt, Zoo-Experte des Tierschutzbundes, für den die 1999 erlassene Zoorichtlinie der EU mangels konkreter und verbindlicher Tierhaltungsvorgaben im übrigen „ein Papiertiger“ ist. Privatanlagen – zu denen auch Hagenbeck in Hamburg gehört – seien zwar nicht prinzipiell mangelhafter als öffentlich betriebene, den Bedürfnissen von Wildtieren aber könne man nirgends wirklich gerecht werden.

„Das ist mir im Lauf der Zeit auch klar geworden“, wiederholt Besitzer Vida. Man merkt ihm die Sorge um seine Tiere an. Zurzeit sucht er mühevoll nach einem Paarungspartner für seinen 28-jährigen Senior-Gibbon: „Die Tiere sind ja mit uns alt geworden.“