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Archiv-Artikel

Ohne Kündigungsschutz

ZEITARBEIT Befristete Arbeitsverträge nehmen weiter zu, häufig als „Kettenarbeitsverhältnisse“. Trotz aller Nachteile haben betroffene Arbeitnehmer auch Rechte

Eine übliche Variante sind gestückelte Verträge für je ein halbes Jahr

VON OLE SCHULZ

Immer mehr Arbeitnehmer haben nur einen Vertrag auf Zeit. Bei Neueinstellungen ist das bei fast jedem zweiten Job der Fall. Grundlage für diese Entwicklung ist das „Teilzeit- und Befristungsgesetz“ (TzBfG), das eine entsprechende EU-Richtlinie von 1999 umsetzte und inzwischen seit über zehn Jahren gilt.

Laut der Rechtsanwältin Gisela Ludewig sind die Folgen des Gesetzes für Arbeitnehmer zwar weitgehend „eine Katastrophe, weil dadurch massenhaft Beschäftigungsverhältnisse ohne Kündigungsschutz geschaffen werden“. Doch die Berliner Fachanwältin für Arbeitsrecht sagt zugleich: „Die Änderungen sind politisch gewollt worden. Es ist derzeit illusorisch, zu glauben, dass Regelungen geschaffen werden könnten, die das Rad zurückdrehen.“

Ganz rechtlos sind aber auch Arbeitnehmer mit befristeten Verträgen nicht. So haben sie etwa grundsätzlich denselben Urlaubsanspruch wie ihre unbefristet beschäftigten Kollegen: mindestens vier Wochen im Jahr. Wer vier Wochen im Job ist, bekommt zudem sein Gehalt auch im Krankheitsfall: Dann muss der Chef sechs Wochen lang Lohn fortzahlen. Anschließend kommt die Krankenkasse gegebenenfalls für Krankengeld auf. Und nach in der Regel zwölf Monaten Arbeit – in einigen Fällen genügen sechs Monate Beschäftigung – hat man auch Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Doch neben der grundsätzlichen Beschäftigungsunsicherheit bei einem befristeten Vertrag gibt es eine Reihe von Nachteilen. So können Zeitarbeiter von Fortbildungen ausgeschlossen werden, wenn der Nutzen einer solchen Maßnahme erst zu einem späteren Zeitpunkt eintreten würde. Und generell gilt für befristet Beschäftigte: Ihre Chancen, befördert zu werden, sind unbestritten schlechter als die von Angestellten mit einem unbefristeten Vertrag.

Eine wesentliche Unterscheidung gibt es zwischen Befristungen mit und ohne „sachlichen Grund“. Ohne sachlichen Grund befristete Verträge gelten maximal zwei Jahre. Eine übliche Variante von „sachgrundlosen Befristungen“, so Ludewig, seien gestückelte Verträge für je ein halbes Jahr. Für den Arbeitgeber bedeutet das viel Freiheit: Er kann sich mehrfach überlegen, ob er den Mitarbeiter weiterbeschäftigt oder nicht. Für den Arbeitnehmer heißt das allerdings: viermal gefühlte Probezeit – und im Job ständig Vollgas geben, zum Beispiel ohne Murren Überstunden machen. Schließlich will man beim Chef einen guten Eindruck hinterlassen.

Klassische Zeitverträge mit „sachlichem Grund“ sind hingegen Schwangerschafts- und Elternzeitvertretungen. Möglich ist die Befristung auch als Anschlussvertrag an eine Ausbildung oder für ältere Arbeitnehmer ab 52 Jahren, aber ebenso für Projektarbeit in einem Unternehmen und die Erprobung eines Mitarbeiters.

Viele Rechtsstreite gab es nach Inkrafttreten des TzBfG im Jahr 2000 vor allem um die Frage der sogenannten Anschlussbefristungen, also wenn nach Ablauf eines Zeitvertrags ein neuer abgeschlossen werden soll. „Generell sind Befristungen nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden – und zwar vor Beginn des Arbeitsverhältnisses“, erklärt Anwältin Ludewig.

Eine schriftliche Verlängerung muss daher noch während der Laufzeit des Vertrages erfolgen. Geschieht dies nicht, entsteht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Strenge Formvorgaben bestehen auch hinsichtlich der Ausgestaltung neuer Verträge: Es darf nichts außer der Laufzeit verändert werden. Wird dem Zeitarbeiter etwa nur 1 Euro mehr Gehalt bezahlt, ist die Befristung hinfällig.

„Solche Fehler werden heute aber kaum noch gemacht“, sagt Anwältin Ludewig. Zum einen seien die meisten Unternehmen inzwischen rechtlich gut beraten, zum anderen habe es mehrere Urteile des Bundesarbeitsgerichts (BAG) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu strittigen Fragen gegeben.

Weiterhin umstritten sind aber die sogenannten Kettenarbeitsverhältnisse. Laut EU-Vorgabe sollen diese bei Zeitverträgen zwar unterbunden werden, doch das BAG erkannte in ständiger Rechtsprechung eine Befristung zur Vertretung auch dann an, wenn beim Arbeitgeber ständig Arbeitskräfte ausfallen und der Vertretungsbedarf auch durch eine unbefristete Einstellung gedeckt werden könnte. Nun muss der EuGH eine Grundsatzentscheidung fällen.

Gerade Befristungen mit „sachlichem Grund“ bieten immer noch Anlass zu rechtlichen Auseinandersetzungen. Oft sind Befristungen unwirksam, weil der Arbeitgeber den Sachgrund nicht darlegen kann. „Wer Zweifel daran hat, ob ein sachlicher Grund vorliegt, sollte sich rechtlich beraten lassen.“ Sollte sich die Vermutung bewahrheiten, habe man unter Umständen Anrecht auf eine unbefristete Anstellung. Eine zweijährige Probezeit zum Beispiel würde vor Gericht kaum als ein guter Grund für eine Befristung anerkannt werden, so Ludewig.

Dass man als Arbeitnehmer mit Zeitvertrag einen Rechtsstreit mit seinem Arbeitgeber möglichst vermeiden sollte, um sich die Chancen auf eine unbefristeten Anstellung nicht völlig zu verbauen, kann Anwältin Ludewig aus ihrer Arbeitspraxis nicht bestätigen – im Gegenteil: „Regelmäßig ernten diejenigen, die ihre Rechte einfordern, Respekt und Anerkennung.“ Ludewig kennt Fälle, wo es zu rechtlichen Auseinandersetzungen um einen befristeten Vertrag kam und die betroffenen Arbeitnehmer erst dadurch ernst genommen wurden, bis am Ende wieder „Frieden einkehrte“.

Allerdings sollte man wissen, dass klagende Arbeitnehmer bei Arbeitsgerichtsverfahren die Anwaltskosten tragen müssen, selbst wenn sie den Prozess gewinnen. „Ich bin nicht unbedingt eine Freundin von Versicherungen, aber für solche Fälle ist eine Rechtsschutzversicherung sinnvoll“, so Ludewig.

Eine andere Möglichkeit besteht zumindest für Gewerkschaftsmitglieder: Sie können sich von einem auf Rechtsschutz spezialisierten Gewerkschaftsangestellten, in der Regel einem Volljuristen, vor Gericht vertreten lassen.