: Vervielfachtes Star-Genie
C/O POP Ökonomisches Showbiz in Köln
Sei viele! Mach Spiele! Wegweiser, die von Experten im Dickicht digitaler Inhalte und ihrer Verwertbarkeit gesetzt werden, klingen so simpel wie gleichmacherisch. Produzenten sind Alleskönner. Ihre Ideen vermarkten sie spielerisch zu einem crossmedial-erfahrbarem Gesamterlebnis. So genau benennt das beim Kölner Musikfestival „c/o pop“ samt angeschlossenem Business-Meeting „C’n’B“ (Creativity & Business Convention) zwar niemand. Aber im Grunde spielt der Medienarbeiter der Zukunft eine Doppelrolle: Genie und Superstar.
Die „c/o pop“ lebt die transmedialen Synergieeffekte gleich vor. Zur Eröffnung am Mittwoch werden Diskussionen ins Programm des gleichenorts stattfindenden „Medienforums NRW“ hineingeschmuggelt. TV-Profis sitzen bei Präsentationen über Content-Generierung neben Poptheoretikern, ohne dass beide Seiten miteinander ins Gespräch kommen. Am Ende des Tages haben es nur wenige Kongressteilnehmer in den Kölner Stadtgarten geschafft.
Dort sind die Zuschauer wegen Andreas Dorau gekommen. Jetzt, mit Ende 40, hechtet der Ex-Teeniestar im Anzug über die Bühne und singt vom Ende: „Es war hell, hell, hell, hell, hell, aber es brannte nur kurz.“ Nach den Business-Fachbegriffen muss man sich erst daran gewöhnen, dass Dorau damit keine Medienterminologie meint. Er verhandelt in seinem alterslosen Elektro-Pop wirklich die letzten Dinge, Verwesung etwa. Auch live funktionieren Doraus neue, entwaffnend ehrliche Songs wunderbar.
Eine Etage höher feiert das Label Cómeme und zelebriert ausgerechnet den Uralt-Begriff Lo-fi. Ihr Sound ist roh und holprig, dafür trommeln die DJs inmitten eines Boxrings auf Drums herum. Die Symbolik erschließt sich nicht so ganz. Es wird ja nicht gekämpft, sondern miteinander geschwitzt. Tschüss, Genie – hallo, kollektiver Wahnsinn!
Am Donnerstagabend in der Kölner Philharmonie findet jemand schlichte Worte für die eigene Vervielfachung. „Wir sind Apparat aus Berlin“, sagt Sascha Ring, ein Musiker, den man bisher als Einzelkämpfer kannte. Nun hat er sich vervierfacht. Musikalisch geht das einher mit einer Verhölzerung und Begradigung seiner hyperaktiven Drumbeats und digital knisternden Harmonien. Die Band-Performance lässt Platz für Unschärfen, die die vereinzelten Medienarbeiter im Publikum genießen – in ihren eigenen Arbeiten aber eher nicht dulden dürften. Das Sagen hat letztendlich der Auftraggeber.
Zum Schluss spielt der kanadische Geigenvirtuose Owen Pallett. Bald holt er zwei Mitmusiker auf die Bühne: „Ich habe jetzt eine Band gegründet, so wie alle Anfang 30.“ Pallett könnte auch als Redner auf der C’n’B-Convention wirken. Genie, Unternehmer und kreativer Kopf in einer Person. Digitalen Medien sei Dank klingt er als Solist wie ein Streichorchester. ARNO RAFFEINER