: Der synthetische Zauber wirkte
Das New Yorker Synthesizertrio Au Revoir Simone spielte gegen alle technischen Widrigkeiten groß auf – und verzauberte ein junges Publikum im Bastard
Hinter ihnen die Monitorwand, die von der letzten Pollesch-Aufführung stehen blieb, vor ihnen die vielen herunterhängenden Lampen, eine Referenz an Erichs alten Lampenladen, von dem mittlerweile nicht mehr viel übrig ist. Unter den Lampen bildete sich ein dichter Wald von auffallend jungen Leuten, der sich immer näher an die Bühne heranschob. Die drei Frauen vor der Monitorwand hatten sich sicherheitshalber hinter eine breite Reihe von Tasteninstrumenten gestellt, Keyboards der Marken Korg und Roland und ein älteres Gerät namens Juno-60. Die Stimmung war gut, die Frauen standen bereit, es hätte losgehen können mit dem Konzert der Band Au Revoir Simone.
Das dauerte aber. Irgendetwas hakte, irgendein Kabel schien lose. Erika Forster, Heather D’Angelo und Annie Hart schien das nicht besonders aufzuregen. Hart machte den Hüpftest vor ihren Keyboards, Forster lächelte in der Mitte vor sich hin, allein D’Angelo wurde etwas nervös. Womit die Aufteilung der Charaktere bereits gut beschrieben wäre: Annie Hart, die ausgeflippte Brillenträgerin, der man auch einen Job als Soziologiedozentin zutrauen würde, ständig in Bewegung, rechts. Erika Forster, ein Glückskind im Blümchenkleid, eine Emily in den Erdbeeren, wie meine charmante Konzertbegleitung meinte, dauerbeseelt und immer lächelnd, in der Mitte. Und links Heather D’Angelo, der Quotenvamp in verruchten Strumpfhosen, die Frau, der man auch mal eine Genervtheit zutraut. Die böse Seite der Band. Die es mit jedem Unglück qua Erfahrung aufnehmen könnte.
Die Musik, die Au Revoir Simone machen, erinnert an die Achtzigerjahre. Seliger, warmer, guter Keyboardpop. Irgendwas zwischen Kraftwerk und Human League. Ein süß riechender, rosa Nebel aus der Maschine. Was Harmonik und Melodik angeht, stehen die Sechzigerjahre Pate. Mit dem Kaugummigefühl einer Gruppe wie Bananarama haben Au Revoir Simone nicht viel zu tun. Dafür kommen die gut gebauten, rhythmisch raffinierten Songs zu gefühlsbetont, zu unterschwellig schwermütig daher. Manchmal eine Spur zu spröde. Was es fürs Publikum im prall gefüllten Bastard schwierig machte, neben all den technischen Problemen, die immer wieder auftauchten, sich im Angesicht der groß aufspielenden New Yorkerinnen der reinen Euphorie hinzugeben.
Erhebende Momente gab es immer dann, wenn der Gesang in verschiedenen Tonlagen vorgetragen wurde. Wenn die Beats trocken und die Keyboardflächen derart wuchtig und kunstklanghaft wurden, dass man sich in dieser artifiziell-poppigen Glasperlenwelt mit subtilem Hippieanhauch nur allzu gut aufgehoben fühlte. Mit den herausragenden Tracks „A Violent, Yet Flammable World“ und „Lark“, der betörenden Ausstrahlung sowie ansteckender guter Laune hatte die Band das junge Ausgehvolk, das anschließend zum Karrera-Klub-Tanztee bleiben mochte, auf ihrer Seite. Der synthetische Zauber wirkte. Langsam, aber nachhaltig. Der perfekte Abschluss eines wolkigen Wochenendes, die Versöhnung der strapazierten Rezeptoren durch Musik. RENÉ HAMANN