: Kabuls strategischer Blick nach Peking
AFGHANISTAN/CHINA Mit seinem prominent terminierten China-Besuch läutet der neue afghanische Präsident Aschraf Ghani die Zeit nach dem Abzug der Nato-Kampftruppen zum Jahresende ein
BERLIN taz | Peking statt Washington: Afghanistans neuer Präsident Aschraf Ghani setzt mit seiner China-Reise diese Woche ein Zeichen. Dabei hat er selbst lange in den USA gelebt, weshalb der Exmitarbeiter der Weltbank auch als „US-Boy“ gilt. Seine Regierung wie sein Militär sind auf massive Hilfe aus Washington angewiesen. Die USA sind in Afghanistan die wichtigste ausländische Macht. Trotzdem fliegt Ghani bei seiner ersten offiziellen Reise nach dem Amtsantritt Ende September direkt nach Peking. Dazwischen war er nur kurz in Saudi-Arabien gewesen, wo eher Besuche religiöser Stätten im Vordergrund standen.
In Peking will Ghani jetzt mehr chinesische Investitionen und Hilfe mobilisieren und zugleich ein Zeichen für die Diversifizierung seiner Außenpolitik setzen. An diesem Freitag findet dort mit dem Treffen des sogenannten Istanbul-Prozesses die erste wichtige internationale Afghanistan-Konferenz in China überhaupt statt. Es werden Vertreter sämtlicher afghanischer Nachbarstaaten kommen sowie aus den USA und Europa.
Wenn Ende 2014 der gescheiterte Kampfeinsatz der Nato- und US-Truppen am Hindukusch endet, droht dort neben dem militärischen auch ein wirtschaftliches Vakuum. Schon seit 2012 ist Afghanistans Wirtschaftswachstum von 14,4 auf 1,5 Prozent gefallen. Kabul möchte deshalb jetzt stärker vom boomenden China profitieren und bietet der Volksrepublik die Ausbeutung seiner Rohstoffe an.
China ist dazu seit Längerem bereit. Doch bisher ohne Erfolg. 2007 vereinbarte Chinas Bergbaukozern MGC mit Kabul die Ausbeutung der Kupfermine Mes Aynak und mit rund 3 Milliarden US-Dollar die größte Investition der afghanischen Geschichte. Doch nach Angriffen der Taliban musste MCC seine Arbeiter abziehen.
Chinesische Regierungsvertreter haben vor Ghanis Besuch erneut verkündet, dass ihr Interesse an Afghanistan vor allem kommerziell sei. Auf keinen Fall möchte China die US-Truppen ersetzen. Peking möchte unbedingt verhindern, dass Afghanistan zum Rückzugsgebiet für uigurische Extremisten wird.
Umgekehrt erhofft sich Kabul neben wirtschaftlichen Impulsen auch einen mäßigenden Einfluss Pekings auf Pakistan, dem Rückzugsort der Taliban. Zugleich dürfte den Machthabern in Kabul gefallen, dass Peking weniger Wert auf gute Regierungsführung legt als westliche Staaten und sich auch sonst weniger einmischt, zumindest weniger offen. SVEN HANSEN