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Archiv-Artikel

Merkels Herausforderung

In Heiligendamm will sich die Bundeskanzlerin als Klimaretterin profilieren. Das wird ihr nun von Tag zu Tag schwerer gemacht. Die anderen Länder haben ihre eigenen Pläne

Die G-8-Staaten sind für 40 Prozent der Klimagase verantwortlich. Merkel will, dass sie ein Signal setzen

AUS BERLIN HANNA GERSMANN

Angela Merkel will den Planeten Erde retten – vor zu heißen Temperaturen. Die CDU-Bundeskanzlerin hat den Klimaschutz zur „größten Herausforderung für die Menschheit“ erklärt. Nun wird er auf dem G-8-Gipfel in Heiligendamm zur Herausforderung für sie selbst.

Zunächst sah alles ganz einfach aus: Schon im Februar hatte der Klimarat der Vereinten Nationen darauf gedrängt, den Ausstoß von Treibhausgasen zu mindern, damit die Gletscherschmelze gestoppt und Wetterextremen Einhalt geboten wird. Die Forscher sind sich einig, dass der Mensch für die Erderwärmung verantwortlich ist. Die acht Industrienationen, so wollte es die Kanzlerin, sollten signalisieren: „Wir haben verstanden.“

Dazu ließ Merkel in den Entwurf der Schlusserklärung schreiben: Die Erde dürfe sich nicht um mehr als zwei Grad aufheizen. Dafür müssten die Kohlendioxid-Emissionen in knapp fünfzig Jahren halbiert werden. Einen Tag vor dem Gipfel ist fraglich, ob viel davon übrig bleibt.

Merkel nützt dabei nichts, dass sie in diesen Tagen, in denen sie die G-8-Chefs empfängt, als die mächtigste Frau der Welt gilt. Die Amerikaner schalten auf stur. Die Unterhändler aus Washington und Berlin haben schon mehrmals getagt. Gestern wollten sie noch einmal bis in den Abend hinein debattieren. Jedoch bekannte Merkel bereits im Spiegel, dass sie „eher nicht mit einer Lösung“ rechne.

George W. Bush hält die deutschen Vorgaben für „falsch“. Vergangenen Donnerstag kündigte der US-Präsident deshalb einen eigenen Anlauf an: Im Herbst will er die 15 größten Umweltverschmutzer in die USA einladen, um einen neuen Klimaplan zu erarbeiten – ohne international verbindliche Ziele. Bush macht den Dissens klarer denn je.

Denn für Merkel ist „unverhandelbar“, dass die Vereinten Nationen über den Klimaschutz wachen müssen. Sie hält nichts von Gegenveranstaltungen zum Kiotoprotokoll – dem einzigen Klimaschutzabkommen, das außer den USA fast alle Länder der Welt unterzeichnet haben.

Schon als Umweltministerin der Regierung von CDU-Exkanzler Helmut Kohl hat Merkel am Kioto-Protokoll gebastelt. Es basiert auf Selbstverpflichtungen von rund 173 Industriestaaten. Das ist das schwächste Instrument der Umweltpolitik.

Besser als nichts, nur: Dieses Kiotoprotokoll verliert 2012 schon wieder seine Gültigkeit. Das heißt: Dann gibt es internationale Klimapolitik nur noch, wenn sich die Staaten auf ein Nachfolgeprogramm einigen. Ende des Jahres sollen die Verhandlungen dafür auf der indonesischen Insel Bali beginnen. Ein Durchbruch wird aber umso unwahrscheinlicher, je erfolgloser Klimaretterin Merkel in Heiligendamm bleibt.

Die Folgen sind klar, wenn sie ihre Kollegen diese Woche nicht bewegt, sich besser ums Klima zu kümmern: Auch andere Länder können sich hinter den G-8-Staaten, dem Club der Verschmutzer, verstecken.

Denn in den vergangenen hundert Jahren haben vor allem die Menschen aus den Industrienationen Treibhausgase in die Atmosphäre gepumpt. Die G-8-Staaten sind derzeit für gut 40 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Darum dürfen die Emissionen andernorts aber nicht ungehemmt steigen.

China stößt heute schon doppelt so viel Treibhausgase aus wie noch 1990. Seine Wirtschaft wächst ungehemmt. Dabei nimmt zwar die Einsicht zu, dass der Klimawandel die ökonomischen Erfolge belasten kann – China hat am Montag seine Strategie im Kampf gegen die Erderwärmung vorgestellt (siehe Seite II). Das Land setzt sich dabei aber keine konkreten Grenzen für Treibhausgasemissionen.

Alle wollen das Klima retten, aber alle tun sich mit verbindlichen Zielen schwer. Merkel ist dabei keine Ausnahme. Deutschland muss seine Treibhausgase bis zum Jahr 2012 um 21 Prozent mindern. So sieht es die mit dem Kiotoprotokoll übernommene Verpflichtung vor. Im Jahr 2006 sind die Emissionen aber trotzdem um 0,6 Prozent gestiegen. „Das ist die falsche Richtung“, kritisiert Karsten Smid, Greenpeace-Energieexperte. Er sagt: „Merkel schwächt mit ihren Sünden zu Hause ihre internationale Position.“ Sie müsse aber als G-8-Vorsitzende dafür sorgen, dass sich die reichen Staaten auf konkrete Reduktionsziele einigten – „im Zweifel auch ohne Bush“. Das sei besser, meint Smid, „als ein unverbindliches Klimaversprechen“.

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