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Archiv-Artikel

Inverse Ingenieurskunst

INSTALLATIONEN Ariel Schlesinger spielt im Kunstverein Braunschweig mit dem Feuer. Allzu große Sorgen um seine Sicherheit braucht sich das Publikum aber nicht zu machen: Hier ist nur ein Tüftler am Werk

Die bewusste Verunsicherung, die Fragilität der Situation möchte Schlesinger ausreizen

Wenn ein junger israelischer Künstler das Element Gas und die zugehörigen Stahlflaschen als seinen künstlerischen Werkstoff nimmt, schnürt sich einer deutschen Betrachterin erst einmal der Hals zu. Aber Ariel Schlesinger, 1980 in Jerusalem geboren, in Israel und den USA ausgebildet und derzeit in Berlin lebend, will mit dem assoziationsreichen Material gar nicht vordergründig auf die deutsche Fundamentalschuld anspielen.

Gleichwohl thematisiert er existentielle Gefahren, schafft er zumindest gefährlich anmutende Situationen: In Berlin etwa sorgte ein mit zwei Gastanks bestückter britischer Mini Schlesingers statt für einen künstlerischen für einen sicherheitstechnischen Aufruhr.

Mit „Catastrophe is subjective“, seiner ersten institutionellen Einzelausstellung hierzulande, ist er nun in der Remise des Kunstvereins Braunschweig vertreten. Den großen Ausstellungsraum versah er zum kleinen Eingangsflur hin mit einer Glastür, die nicht geöffnet werden kann. In dem ansonsten leeren Raum stehen sechs große rote Gasflaschen, die auch durch die Fenster vom Hof zu sehen sind. Auf der Glasfläche der Tür, zu erleben nur in dem kleinen, sehr beengten Flur, züngelt aus einer Metalldüse eine winzige Flamme.

Natürlich vertraut die Betrachterin darauf, dass der große Raum, somit die gesamte Remise, ihr nicht im nächsten Augenblick um die Ohren fliegt, aber sicher ist sie sich da keineswegs. Die bewusste Verunsicherung, die Fragilität dieser Situation möchte Schlesinger ausreizen.

Im Garten liegt eine weitere Gasflasche. Sie speist einen kleinen Schweißbrenner, der wiederum seinen Feuerstrahl auf den Stahlmantel der Gasflasche richtet. „Gas loop“ heißt die Arbeit lapidar und Ariel Schlesinger lässt einen mit wortreichen Beschreibungen und ansteckendem Lachen erneut im Unklaren ob der realen Gefahr, die von dem Objekt ausgehen könnte.

Als dritte Arbeit läuft im Videoraum eine Zwei-Minuten-Schleife: Eine zarte aber energische Hand entzündet verbrannte Streichhölzer erneut an einer Streichholzschachtel. Hier erklärt Schlesinger nun, dass er einen Trick aus den 1920er Jahren aufgegriffen habe: eine spezielle Flüssigkeit, die verkohlte Streichholzenden wieder durch Reibung entflammbar mache. Ein ganz spezieller, surrealer Humor liegt in dieser Arbeit, in der scheinbar Wertloses erneut wertvoll gemacht, oder zumindest gegen den üblichen Gebrauch benutzt wird.

Mit solch inverser Ingenieurskunst konstruiert Schlesinger auch magische Maschinen, etwa die „Bubble Machine“: Sie produziert gasgefüllte Seifenblasen, die sich beim Herabfallen an einer elektrischen Ladung entzünden und geräuschvoll zerplatzen. Diese Maschine ist nun leider nicht in Braunschweig zu bestaunen, sondern steht in Schlesingers derzeitiger Ausstellung in New York.

So ist man sich am Ende dann doch sicher, dass es sich bei den beiden gefahrverheißenden Flammen-Installationen wohl ebenfalls um einen subtilen Trick handelt. Und überhaupt: Eine aufziehende Katastrophe sieht ja nur, wer darauf besteht. BETTINA MARIA BROSOWSKY

bis 28. August, Kunstverein Braunschweig, Remise