: Im fotografischen Sektor
TOURISMUS Falsche Grenzbeamte am Checkpoint Charlie. Darf das 25 Jahre nach dem Mauerfall sein? Friedrichshain-Kreuzberg sagt Ja. Mitte sagt Nein. Und die taz hat den Praxistest gemacht
Rein rechtlich gesehen sind die uniformierten Männer am Checkpoint Charlie eine „künstlerische Darbietung“. Das ist zumindest die Ansicht des Ordnungsstadtrats von Friedrichshain-Kreuzberg, Peter Beckers (SPD). Und solche künstlerische Darbietungen werden „nicht als genehmigungspflichtige Straßenlandsondernutzung gewertet, solange dafür lediglich Spenden erbeten werden“. So lautetet die Antwort des Stadtrats auf eine Anfrage des CDU-Bezirksverordneten Timur Husein.
Die Rechtsauffassung des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg bedeutet auch, dass niemand für die Fotos mit den Trägern amerikanischer und sowjetischer Uniformen zahlen muss. So steht es auch auf den Schildern der Darsteller: „Für unseren Aufwand erbitten wir für Fotos pro Person 2 Euro.“
Aber was ist, wenn eines Tages weitere Grenzer in echten oder in Fantasieuniformen auftauchen und den bislang dort stehenden „künstlerischen Darbietern“ Konkurrenz machen? So wie der Reporter Ben Knight, der im Auftrag der taz in eine NVA-Uniform schlüpfte und sich den Touristen als Fotomotiv zur Verfügung stellte?
Nichts, lautet die Antwort, denn jeder darf sich dort hinstellen, eine Genehmigung des Bezirks braucht es nicht – auch wenn das die Darsteller Knight gegenüber behaupteten, um den lästigen Mitwettbewerber loszuwerden.
Es gelten also die gleichen Regeln, die auch sonst auf einem öffentlichen Bürgersteig gelten: Wer zuerst kommt, steht zuerst. Wer als Zweiter kommt, darf sich höchstens neben oder vor den Ersten stellen. Vertreiben darf er ihn nicht.
Auch am Brandenburger Tor standen vor ein paar Monaten noch „Soldaten“ – und darüber hinaus Figuren wie Micky Maus, ein Gorilla oder die Freiheitsstatue. Insbesondere die CDU übte Kritik daran. Generalsekretär Kai Wegner sagte, derartiger „Klamauk“ schade der Würde des historischen Ortes. Für Aufsehen sorgte ein Mann in Berliner-Bär-Kostüm mit DDR-Uniform.
Der Ordnungsstadtrat des Bezirks Mitte, Carsten Spallek (CDU), hat daher nach einer rechtlichen Handhabe für ein Verbot gesucht – und ist fündig geworden. Im Berliner Straßengesetz heißt es: „Jeder Gebrauch der öffentlichen Straßen, der über den Gemeingebrauch hinausgeht, ist eine Sondernutzung und bedarf der Erlaubnis.“ Was konkret der gemeine, also übliche Gebrauch ist, ist natürlich Auslegungssache.
So kommt es, dass dasselbe Landesgesetz in zwei Bezirken unterschiedlich ausgelegt wird: Nach Ansicht von Friedrichshain-Kreuzberg sind solche Darbietungen üblich, daher brauchen sie keine Genehmigung. Nach Ansicht des Bezirks Mitte sind sie unüblich und nur mit Genehmigung erlaubt – aber eine Genehmigung wird nicht erteilt. Das Verbot wurde mit Kontrollen und Bußgelddrohungen durchgesetzt – das Brandenburger Tor ist soldatenfrei.
Friedrichshain-Kreuzberg sieht keinen Grund, von seiner liberalen Haltung abzurücken. Stadtrat Beckers: „Es gab keinen Anlass, ordnungsbehördlich tätig zu werden.“ SEBASTIAN HEISER
Wie Ben Knight in die Uniform schlüpfte SEITE 44, 45