: Vom Baumarkt auf die Biennale
Selbstverständlich greift sie an. Dass von der Geste nationaler Selbstdarstellung, die jedem der alten Pavillons im Biennale-Garten im Osten Venedigs innewohnt, nicht viel übrig bleiben würde dieses Jahr, war zu erwarten, seit die Bildhauerin Isa Genzken den Auftrag für den deutschen Beitrag erhielt. Denn nicht umsonst ist sie in der Kunstwelt bekannt für ihr kritisches Verhältnis zu Architektur, Raumplanung und Design. Den deutschen Pavillon hat sie mit einem orangefarbenen Absperrnetz verkleidet, das die Umrisse verschwimmen lässt. So stellt sie „die temporäre Leichtigkeit des Netzes der geschichtsbeladenen Architektur des Pavillons ikonografisch gegenüber“, wie Nikolaus Schafhausen, Kurator des deutschen Pavillons, sagt.
„Guck dir mal den Potsdamer Platz an, der ist wie eine Kulisse!“, schimpfte die Künstlerin, die in Berlin lebt, in einem Gespräch mit ihrem Freund Wolfgang Tillmans, „das ist alles so billig gemacht, das könnte auch in Köln stehen oder in Teneriffa.“ Der Blick auf die Verramschung des öffentlichen Raums ist ein Ausgangspunkt für ihre Skulpturen, dreidimensionale Zustandsbeschreibungen. Die Billigmaterialien haben Eingang gefunden in ihre Materialcollagen, geradezu verschwenderisch geht sie mit Sprayfarbe, Plastik, Spiegelfolie und Nippes um. Sie bilden dicke Krusten um die Kerne aus Beton, die in früheren Phasen ihre Formen dominierten. So lässt sie die ästhetischen Maßstäbe der Avantgarde mit den Oberflächenreizen der Gegenwart zusammenkrachen. Nächstes Jahr wird Isa Genzken 60, aber ihre Fans werden immer jünger, und das freut die Künstlerin. In ihrem Berliner Atelier arbeitet sie allein, ohne Assistenten, fast jeden Tag von 7 Uhr morgens bis 5 Uhr nachmittags.
Mehr als zehn Jahre lang war sie mit dem Maler Gerhard Richter verheiratet, den sie als Meisterschülerin in Düsseldorf kennengelernt hatte. Lange hat sie sich mehr auf die Bildhauerei als auf ihre Karriere konzentriert – das zahlt sich für Künstlerinnen selten aus. Bei Genzken ist es anders: Sie wird von Galerien in Berlin, Köln und Zürich vertreten und war die vergangenen Jahre oft in internationalen Ausstellungen zu sehen.
Sie „diskutiert mit ihren Werken genau das, was uns als Gesellschaft heute wirklich bewegt und berührt“, so Nikolaus Schafhausen. Das Lapidare und das Monumentale, das Asketische und das Glamouröuse gehen in ihren Skultpuren ungewohnte Verbindungen ein. Dabei verweist sie auch auf politische Bedeutungsebenen, wie bei ihrem Biennale-Beitrag, der unter dem Titel „Oil“ schnell das Bezugsfeld von Petrodollars und dem Kampf um Öl aufmacht. KATRIN BETTINA MÜLLER