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Archiv-Artikel

„Ich bin ein lang anhaltender Effekt“

COMEBACK Sie war die erste Bundesministerin der Grünen – und scheiterte. Zehn Jahre später will Andrea Fischer in die Politik zurück. Als Bezirksbürgermeisterin. Ein Gespräch über Lobbyismus, Müllschlucker und den lieben Gott

Andrea Fischer

■ Karriere: geboren 1960 in Arnsberg, Sauerland. Lehre zur Offsetdruckerin, Korrektorin in der taz, später Volkswirtschaftsstudium. 1994 für die Grünen in den Bundestag. 1998 unter Gerhard Schröder Gesundheitsministerin. Ein Jahr später scheitert ihr Entwurf zur Gesundheitsreform im Bundesrat. 2001 Rücktritt infolge der BSE-Krise. Die Grünen setzen sie 2002 nicht mehr auf die Liste zur Bundestagswahl. Danach Fernsehmoderatorin, PR-Beraterin, Krimikolumnistin.

■ Comeback: 2011 Bewerbung als Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Mitte. Zum Bezirk (333.172 Einwohner) zählen nicht nur die historische Mitte mit Brandenburger Tor und Regierungsviertel, sondern auch die ärmeren Viertel Wedding und Tiergarten.

INTERVIEW KIRSTEN KÜPPERS FOTO WOLFGANG BORRS

taz: Frau Fischer, Sie kandidieren im September als Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Mitte. Haben Sie schon bei den schweren Jungs im Soldiner Kiez vorbeigeschaut?

Andrea Fischer: Ich habe mich dort noch nicht persönlich vorgestellt.

Ihr Konkurrent von der SPD ist Gesamtschullehrer, Fächer Sozialkunde und Deutsch. Gewerkschaftsmitglied, Mitglied im Heimatverein, im Freundeskreis der Musikschule, er hat eine türkische Freundin. Er sitzt seit 26 Jahren in der Bezirksverordnetenversammlung, seit 2006 ist er Bürgermeister, er wohnt in Mitte und kennt dort vermutlich jeden Stein. Mal ehrlich: Ist Christian Hanke nicht der bessere Kandidat?

Selbstverständlich hat der Mann all diese wunderbaren Eigenschaften. Aber wir Grüne treten an, weil wir den Eindruck haben, dass der Job besser gemacht werden kann. Und die Tatsache, dass kaum einer weiß, wie der Bezirksbürgermeister von Mitte eigentlich heißt, spricht auch nicht für Herrn Hanke. Heinz Buschkowsky aus Neukölln ist für mich eher ein Vorbild. Den kennt inzwischen ganz Deutschland.

Und wenn Barack Obama vorm Brandenburger Tor reden soll, muss Angela Merkel den Bezirksbürgermeister von Mitte um Erlaubnis fragen. Ist es dieser Glamfaktor, der Sie zur Kandidatur bewogen hat?

Mitte ist keineswegs nur Glamour. Wenn es in dieser Großstadt um Integration geht, dann in diesem Stadtteil, der diese riesigen Unterschiede hat. Kommunalpolitik ist hier ein genauso mühsames Kleingeschäft wie anderswo. Aber es ist ein lohnendes Aufgabenfeld: Es geht um Dinge, die die Menschen unmittelbar berühren.

Herr Hanke sagt, Ihre Kandidatur sei „Effekthascherei“.

Ich kann nichts Effekthascherisches daran finden, Bezirksverordnetenwahlkampf zu machen.

Und wenn Sie verlieren?

Dann mach ich natürlich weiter: als einfache Bezirksverordnete. Herr Hanke wird sich darauf gefasst machen müssen, dass ich ein ausgesprochen lang anhaltender Effekt bin.

War das Beste an Ihrem Scheitern als Gesundheitsministerin 2001, dass Sie danach wieder ungehemmt rauchen konnten?

Gut war, dass ich nicht mehr in der öffentlichen Aufmerksamkeit stand. Als Ministerin musste ich aufpassen, nicht mehr bei Rot über die Ampel zu gehen. Ich fand es nicht komfortabel, eine öffentliche Person zu sein.

So schlimm?

Auf Partys konnte es passieren, dass irgendein Unbekannter ankam, so nach dem Motto: Was ich schon immer mal sagen wollte, was die Regierung falsch macht. Ich hatte das Gefühl, ich bin auf diese Rolle sehr festgelegt. Da fand ich es befreiend, wieder einfach nur Andrea Fischer zu sein, die nichts zu sagen hat.

Der SPD-Gesundheitsexperte Rudolf Dressler hat damals demonstrativ den Raum verlassen, wenn Sie als Gesundheitsministerin das Wort ergriffen haben. Haben Sie inzwischen mal ein Versöhnungszigarettchen mit ihm geraucht?

Ich bin auf seinen 65. Geburtstag gegangen, was Herr Dressler ganz richtig als Friedensangebot verstanden hat. Zu seinem 70. hat er mich auch eingeladen.

Haben Sie schon einen im Auge, der der Rudolf Dressler von Berlin-Mitte werden könnte?

Ehrlich gesagt habe ich keinen Bedarf an einer Wiederholung.

Verdient eine Bürgermeisterin mehr als eine Lobbyistin der Pharmaindustrie?

Eine Bezirksbürgermeisterin verdient 7.000 Euro oder so was. Das kann ich jetzt nicht für ein wahnsinnig hohes Gehalt halten.

Als Pharmalobbyistin haben Sie also mehr verdient.

Würde ich so viel Geld verdienen, wie sich alle vorstellen, wenn das böse Wort „Pharmalobbyistin“ fällt, dann halte ich es eher für unwahrscheinlich, dass ich für 7.000 Euro Bezirksbürgermeisterin werden wollte.

Gegen die Berufsbezeichnung „Pharmalobbyistin“ haben Sie aber nichts.

Ich leugne nicht, dass ich für die Pharmaindustrie tätig bin.

Ist es denn okay, dass eine ehemalige Gesundheitsministerin Lobbyarbeit für die Pharmaindustrie betreibt?

Ich habe fünf Jahre andere Sachen gemacht, bevor ich für die Kommunikationsagentur Pleon gearbeitet habe. Ich habe also den Abstand von der aktiven politischen Tätigkeit allemal eingehalten. Und auch ehemalige Politiker müssen ihren Lebensunterhalt verdienen. Nach dem Ausscheiden aus der Politik kriegt man ein Übergangsgeld. Das reicht für ein Jahr. Jetzt arbeite ich seit drei Jahren nicht mehr bei Pleon, sondern freiberuflich im Bereich der Gesundheitswirtschaft. Unter anderem auch wieder für die Pharmaindustrie. Da gibt’s nichts, was nicht in Ordnung ist.

Haben Sie bei Pleon aufgehört, weil es so viel Kritik gab?

Nein. Im Gegensatz zu vielen Menschen auf der Welt halte ich die Pharmaindustrie nicht für Bösewichte. Sondern für Leute, mit denen zuarbeiten sinnvoll ist. Weil sie Medikamente machen, die viele von uns brauchen. Und weil sie Beratungsbedarf haben dazu, wie sie sich in einem Gesundheitssystem, wie wir es wollen, richtig verhalten.

Wenn alles super war: Warum sind Sie von Pleon weg? War München zu schickimickihaft?

München und ich wurden keine Freunde. Ich wollte wieder in Berlin leben.

Sie sind bekannt für Ihr lautes Lachen, Joschka Fischer hat Sie als „Heulsuse“ bezeichnet. War die Arbeit in einer PR-Agentur ein zu kaltes Geschäft für eine, die ihre Gefühle offen zeigt?

Bei Pleon bin ich immer wieder an Punkte geraten, wo ich gesagt habe, das würde ich nicht gerne machen für bestimmte Unternehmen. Da habe ich jetzt andere Freiheiten. Ich muss nicht mehr Aufträge ranholen, damit alle Mitarbeiter davon ernährt werden können, der ganze Apparat fällt jetzt weg. Ich kann weniger Geld verlangen und trotzdem davon leben.

Die Grünen sind ja auch so eine Partei, bei der es dauernd um Gefühle geht: Angst vor BSE, Atomkraft, Umweltverschmutzung. Hoffnung auf eine bessere Welt. Muss jeder, der kein Herz aus Stein hat, letztlich bei den Grünen landen?

Bei anderen Parteien gibt es sicherlich auch Menschen mit Herzblut. Die Grünen sind für mich keine Herzensentscheidung. Bei einer Partei guckt man ja eher, wo man sich politisch einordnen kann. Ich stimme bei den Grünen nicht mit allem überein. Aber die Richtung entspricht mir.

Das klingt nicht sehr begeistert. Haben Ihnen die Grünen so wehgetan?

Ja, haben sie. Aber das ist das gute Recht jeder Partei. Ich habe mir eine längere Auszeit aus der Politik genommen. Und wie man sieht, bin ich in diesen zehn Jahren milder geworden.

Was hat am meisten wehgetan?

Die Niederlage bei der Listenaufstellung 2002.

Als die Grünen Sie nicht auf die Berliner Landesliste gewählt haben.

Ja genau.

Aber jetzt machen Sie doch wieder mit.

Die Grünen in Mitte wollten gerne jemand Bekanntes für das Bürgermeisteramt haben, weil diesmal die Chancen gut sind. Und als ich die Bezirksgruppe dann traf, habe ich gemerkt, das ist eine spannende, vielfältige Gruppe, die moderne Großstadtpolitik machen will. Die gehen gut miteinander um, auch wenn sie streiten. Ich hatte das Gefühl, hier kann ich wieder Politik machen. Ich hatte Vertrauen.

Und es ist Ihnen nicht zu popelig, über Bürgersteige und Verkehrsschilder zu diskutieren?

„Es kann sein, dass ich als Politikerin erst wieder auf Betriebstemperatur kommen muss“

Nein, die Frage, in welchen Verhältnissen Menschen leben, hat mich immer schon interessiert.

Renate Künast könnte in Berlin Ihre Chefin werden. Sind Sie beide dicke Freundinnen?

Nö. Renate ist die Nummer eins. Ich bin eine von sieben grünen Bezirksbürgermeisterkandidatinnen. Und natürlich wollen wir alle, dass Renate Künast Regierende Bürgermeisterin wird.

Es gibt grüne Spitzenpolitiker, die angesichts der guten Umfragewerte der Grünen schon jetzt von Ministerposten träumen. Freuen die sich auf blöde Jobs?

Es ist großartig, Minister zu sein. Sie haben viele Gestaltungsmöglichkeiten. Aber es ist auch mit Nachteilen verbunden. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob die Reaktionen bei einem nächsten grünen Gesundheitsminister noch genauso heftig wären wie damals bei mir: Damals war es neu, dass die Grünen überhaupt einen Bundesminister stellen. Ich war jung, eine Frau, ich hatte mit Gesundheit vorher nichts zu tun, war auch noch Ökonomin. Da haben alle das Schlimmste vermutet.

Und dann haben Sie in Zeiten von BSE auch noch gesagt, dass man deutsche Wurst essen kann.

Niemand hat mir jemals vorgeworfen, diese Rinder verseucht zu haben oder verhindert zu haben, dass sie getestet werden. Aber als Ministerin muss man manchmal Verantwortung übernehmen für etwas, wo man sich gar nichts vorzuwerfen hat. So funktioniert Politik.

Es gibt die Geschichte, dass Sie als Ministerin bei Stress nach dem Essen vier Karamelldesserts verdrücken konnten.

Die Geschichte war damals schon falsch. Essen ist nicht meine Art, mit Stress umzugehen. Ich bin nicht rank und schlank. Aber das hat nichts mit irgendwelchen Essstörungen zu tun.

Und wie bekämpfen Sie Stress?

Mir hilft es sehr, morgens walken und joggen zu gehen.

Ihr Spitzname ist „Vulkan“.

Das Alter führt ja dazu, dass man ein bisschen gelassener wird.

Sie sind Einzelkind. Wurden Sie verwöhnt?

Ich hatte das Glück, in einer Familie aufzuwachsen, wo ich geliebt wurde, und die mich daher mit einem grundlegenden Selbstvertrauen ausgestattet hat.

Zur Stadtpolitik: Viele Eltern von Berlin-Mitte fürchten, dass ihr Kind das einzige deutsche Kind in einer Klasse voller russisch-, türkisch- und arabisch-sprechender Schüler wird. Sie geben beim Einwohnermeldeamt falsche Adressen an, gründen Privatschulen und Bürgerinitiativen. Wie wollen Sie es schaffen, dass die Eltern ihre Kinder doch in die Problemkieze zur Schule schicken?

Indem wir an der Verbesserung der Schulen arbeiten, die einen schlechteren Ruf haben. Nach allem, was ich bislang über Schulpolitik verstanden habe, ist es sehr stark die Frage des Engagements des jeweiligen Kollegiums. Es muss sich Gedanken machen, wie der Unterricht gestaltet werden kann, dass auch die schwächeren Kinder mitgenommen werden. Und dann muss man sich die Unterstützung der Eltern organisieren und all der anderen Menschen um die Schule herum.

Bevor ein Kollegium das alles hinbekommt, stimmen die Eltern doch längst vorher mit den Füßen ab. Die sagen, mein Kind soll das nicht ausbaden.

Stimmt, das ändert erst mal nichts, wenn es um eine Einschulung heute geht. Aber man muss solche Prozesse ja irgendwann in Gang setzen. Schulunterricht ist ja sowieso Landessache. Die Bezirke sind nur für die Ausstattung der Schulen zuständig. Aber sie können Schulen dabei unterstützen, sich mit ihrer Umgebung zu vernetzen. Der Bezirk Mitte muss die Tatsache, dass auch diese Besserverdienenden da sind, nutzen. Die, die sagen, wir wollen mit den anderen nichts zu tun haben. Aus diesem Nachteil müssen wir ein Pfund machen.

Klingt mühsam. Der Bezirk ist pleite, die Probleme sind riesig. Warum wollen Sie überhaupt einen so anstrengenden Job?

Als ich auf den Haushalt des Bezirks geguckt hab, war ich wirklich kurz davor, wieder wegzulaufen. Aber Geld ausgeben kann jeder. Man muss die Spielräume nutzen. Es ist eine helle Freude, zu erleben, wie viel Engagement bei den BürgerInnen besteht. Die sammeln Müll, kümmern sich um Grünflächen, darum, dass die Kinder stark gemacht werden. Die Bezirkspolitik muss diese Initiativen unterstützen. Das sind finanzielle Dimensionen, die jeder Bezirk stemmen kann.

Sie sind schon seit Anfang der achtziger Jahre in Berlin. Damals waren Sie in einer marxistischen Gruppe aktiv.

Über diese Gruppe bin ich zu den Grünen gekommen. Wir sind 85 geschlossen da reingegangen, um aus den Grünen eine anständig linke Partei zu machen. Und dann haben die Grünen mich mehr verändert als ich sie. Ich habe gelernt, dass der Klassenstandpunkt keiner ist, der mir in der Frage der Ökologie weiterhilft. Und damals waren die Grünen sicherlich noch anstrengender als heute.

Inwiefern?

Sie haben ja viel heftiger gestritten. Und dass die Grünen ganz viele unterschiedliche Meinungen aushalten – das ist für mich zentral. In den Achtzigern wurden politische Auseinandersetzungen ja noch heftiger auf der Straße ausgetragen, Schlägereien mit der Polizei waren ein wichtiges Thema. Da haben sich auch bei den Grünen die Leute gefunden, die gesehen haben, dass das keine gute Art ist, politische Konflikte auszutragen. Diese Diskussionskultur ist für mich ein total wichtiges Thema.

Und wie ist es heute?

Über die Frage des Atomkompromisses wurde ja gerade auch ein Parteitag mit Redeschlachten abgehalten. Das ist anstrengend, aber für mich viel gesünder, als was die anderen machen. Die CDU hat eine 180-Grad-Wende hingelegt, und das wurde in der Partei niemals diskutiert.

Inzwischen sind Sie wieder in die katholische Kirche eingetreten. Gott ist besser als Marx?

An Gott zu glauben macht mich frei.

„München und ich wurden keine Freunde. Ich wollte wieder in Berlin leben“

In die Kirche eingetreten sind Sie nach Ihrem Scheitern in der Politik. Wollten Sie die Angst vor der Freiberuflichkeit bekämpfen?

Ich trete doch nicht in die Kirche ein wie in ein Fitnessstudio! Nee, – lange hatte ich gedacht, ich glaube nicht mehr an Gott. Dann wurde ich in meiner Zeit als Abgeordnete oft von Journalisten gefragt: Wieso macht eine Grüne eigentlich Sozialpolitik? Die machen doch sonst eher Ökothemen und Bürgerrechte! Da hab ich gemerkt, da hab ich etwas von zu Hause mitbekommen.

Was denn?

Meine Eltern waren engagierte Christen, die sich immer um andere Menschen gekümmert haben. Meine Mutter hat Nachhilfeunterricht für marokkanische Kinder gegeben, als hierzulande noch keiner an so was gedacht hat. Das hat mich beschäftigt. Ich habe gemerkt, das mit dem Glauben war doch keine so doofe Idee.

Und saßen Sie an einem Sonntagmorgen in der Kirche?

Anfangs hab ich nur sonntagmorgens im Radio den Gottesdienst gehört. Jetzt gehe ich öfter sonntags in die Kirche. Aber die Sache mit Gott ist eine zwiespältige Angelegenheit, wo man häufig genug hadert. Insgesamt: kein Wellnessprogramm.

Und was sagen Sie jetzt als katholische Bürgermeisterin einem türkischen Vater, der seine Tochter nicht zum Schwimmunterricht schicken will?

Ich würde mit ihm darüber reden, ob er seiner Tochter nicht einen Burkini kauft, einen Ganzkörperbadeanzug. Damit das Mädchen bedeckt ist und er diese Art von Bedenken nicht mehr hat. Das ist ja auch in der Türkei durchaus üblich. Ich würde ihm aber auch sagen: Du lebst hier, und wir respektieren deine religiösen Gefühle. Aber Jungen und Mädchen werden bei uns gleich unterrichtet, von dieser Regel werden wir nicht abweichen.

Noch eine Frage an die private Frau Fischer. Gucken Sie immer noch so viele Fernsehserien?

Ich habe dieses Jahr eine DVD-Box mit „Mad Men“ geschenkt bekommen, das ist sensationell! Ansonsten finde ich es extrem erfreulich, dass Sat1 mit „Danni Lowinski“ eine Serie geschaffen hat, die auf eine nicht denunziatorische Art und Weise in der Unterschicht spielt. Das finde ich einen riesigen Fortschritt. Toll!

Danni Lowinski, eine Anwältin aus der Einkaufspassage, scheint Sie noch mehr zu begeistern als Ihre Kandidatur.

Ist es etwa erstrebenswert, dass Politikerinnen sich nur noch für Politik interessieren? Aber es kann sein, dass ich als Politikerin erst wieder auf Betriebstemperatur kommen muss. Das habe ich neulich auch auf einer Wahlveranstaltung gedacht, wo es um das Müllschluckerverbot ging.

Aha.

Es gibt seit letztem Jahr ein Gesetz, das Müllschlucker in Hochhäusern verbietet, denn damit kann man ja nicht trennen. Die Veranstaltung war in der Leipziger Straße, wo in den Hochhäusern überall Müllschlucker sind. Die Bewohner sind alle total sauer über das Gesetz. Da erlebte ich dann die Linken-Kandidatin, deren Wahlkreis die Leipziger Straße ist. Sie hat gesagt, sie würde sich fragen, ob das wirklich so gut war mit dem Gesetz und ob das nicht doch noch mal geändert werden müsse. Und da merkte ich: Da muss ich mich doch erst wieder dran gewöhnen, an diesen Opportunismus in Wahlkampfzeiten!

Und was bieten Sie den Ostrentnern in den Plattenbauten?

Dass ich keine falschen Versprechungen mache.

Kirsten Küppers, 38, sonntaz-Autorin, wohnt ohne Müllschlucker in Berlin-Mitte

Wolfgang Borrs, 50, freier Fotograf, lebt seit 1990 in Berlin, seit 16 Jahren in Kreuzberg