: Wenn schon, denn schon
Die reformierten Alternative-Rock-Heroen Smashing Pumpkins spielten in Berlin ein Konzert, das erwartet aufgeblasen-pathetisch, aber auch überraschend unterhaltsam geriet. Wirklich
VON RENE HAMANN
Auf dem Weg zum Auftritt der Smashing Pumpkins in der Berliner Columbiahalle war eigentlich klar: Dieser Artikel sollte ein Abgesang werden. Sollte die Schwierigkeiten mit dieser Band aus Chicago thematisieren. Ihre bräsige Musik und die esoterische Gefühligkeit, die insbesondere ihre Anhänger ergriffen und damit stets unsympathisch gemacht hat. Und nicht zuletzt die Schwierigkeiten mit Billy Corgan, dem aufgeblasen-pathetischen Sänger dieser Combo, die sich doch glücklicherweise im Jahre 2000 aufgelöst hatte.
Natürlich hätte dieser Artikel einen Rückgriff auf die frühen Neunzigerjahre versucht, hätte sich noch einmal darüber gewundert, dass der Durchbruch der Pumpkins mit dem zweiten Album „Siamese Dream“ im Herbst 1993 wesentlich nachhaltiger und kommerziell erfolgreicher wurde, als es bei anderen dem SubPop-Umfeld entsprungenen Bands wie Nirvana, Mudhoney oder Soundgarden gewesen war. Herauszustellen wäre gewesen, dass die Rettung vor den ganzen Neohippies, den ums Jahr 1979 geborenen Pumpkins-Fans der ersten Stunde, im noch einmal wiederaufglühenden amerikanischen Indie-Rock bestand, namentlich in der zweiten Pavement-Platte „Crooked Rain Crooked Rain“, auf der sich diese Zeilen befinden: „Out on tour with the Smashing Pumpkins/ nature kids, I bet they have no function/ I don’t understand what they mean and I don’t really give a fuck.“
Hätte, wenn, aber. Auch Pavement haben später langweilige Platten gemacht und selbst die Pumpkins ein paar hervorragende Songs. Nach „Siamese Dream“ wurde es allerdings mehr oder weniger unangenehm. Das Doppelalbum „Mellon Collie …“ war eine Waschmitteloper der besonders tranigen Art, Corgan hatte was mit Courtney Love, ließ sich eine Glatze wachsen und rannte in einem T-Shirt herum, auf dem „Zero“ stand. Die Band verschwand endgültig in den Abgründen des Alternative Rocks, lediglich die Single „1979“ ließ noch einmal kurz aufhorchen.
Jetzt haben sich die Pumpkins reformiert und bringen Anfang Juli neues Material heraus, ein Album, das „Zeitgeist“ heißt und in Berlin aufgenommen wurde. Damit wollen sie sich vermutlich in die Tradition des Berlin-Rock-Glamours einschreiben.
In der ausverkauften Columbiahalle erschienen die Pumpkins ganz in Weiß. Corgan trug eine Mönchskutte mit einem überdimensionalen Pantoffeltierchen auf dem Rücken. Als Bühnendeko gab es eine schwarzweiße US-Flagge. Neu dabei war der unauffällige, aber fleißige Gitarrist Jeff Schroeder und die Quotenfrau am Bass, Ginger Reyes. Manchmal erschien die als Raumschiffhostess getarnte Keyboarderin Lisa Harriton auf der Bühne.
Und es war alles gar nicht so schlimm. Das neue Material war nicht besser oder schlechter als das alte, die Eröffnungsnummer hatte die schönen Zeilen: „When the revolution comes, what will it do to me“, und der sonst so schnöde Corgan schien in ein Fass der guten Laune gefallen zu sein. Er gab sich umgänglich, war gut bei Stimme, scherzte sogar ein bisschen und erschien eher als sensibler Erwachsener denn als aufgeblasener Altrockstar. Nach einigen neuen Stücken gab es „Today“, und nach einem überflüssigen Intermezzo mit dem „Angebergitarristen“ (Berliner Zeitung) Uli Jon Roth von den Scorpions gab Corgan einige seiner gefühligen Beischlaflieder zur Akustikklampfe zum Besten. Danach hätte man sich ein kleines Finale mit den großen Hits gewünscht, zumal die Luft in der verschwitzten Halle kaum auszuhalten war, aber Corgan kannte kein Erbarmen. Wenn man schon reformiert spielen darf, dann richtig, wird er sich gesagt haben, und war noch nach zwei bzw. gefühlten vier Stunden nicht von der Bühne zu kriegen. Die zuweilen reservierte, männlich dominierte und älter gewordene Zuhörerschaft war zufrieden. Man hat sich schon schlechter amüsiert. Wirklich.