: Tapeten für den „Tatort“
Wer seiner Wohnung ein neues Aussehen verpassen will, wird im „Tapetenkeller“ fündig: Neben 10.000 aktuellen Mustern gibt es dort 2.000 Originale aus den 50er bis 80er Jahren. Sogar das Opernhaus Tokio hat Inhaber André Altväter schon beliefert
VON MAREN ALBERTSEN
Wenn sonntagabends im Ersten die bekannte „Tatort“-Musik erklingt, weiß André Altväter, dass es wieder Zeit wird, genau hinzuschauen. Kantige Kommissare, verräterische Verbrecher – das Krimipersonal interessiert ihn dabei weniger. Viel spannender findet er den Hintergrund bei Innenaufnahmen. Noch genauer: die Tapeten. Oft entdeckt er, wonach er sucht. „Guck mal, die ist von uns“, lautet dann sein Kommentar.
Wie oft er diesen Satz schon zu seiner Frau gesagt hat, weiß er nicht mehr. Denn neben den Tatort-Machern kaufen auch andere Filmausstatter sowie das Ohnsorg-Theater regelmäßig in Altväters „Tapetenkeller“ ein. Dabei ist sein Laden eher unauffällig – und nicht einmal tapeziert. Stattdessen stapeln sich Tapetenmuster, Kataloge und Malutensilien auf schlichten Regalen oder an Betonwänden im Souterrain.
Dass das Geschäft trotz der Konkurrenz durch Baumärkte gut läuft, liegt am Angebot: Auf 150 Metern Ausstellungsfläche und 70 Metern Lagerraum führt Altväter neben 10.000 aktuellen Tapeten auch 2.000 Original-Muster aus den 50er bis 80er Jahren, die es woanders nicht mehr zu kaufen gibt.
Einfache Tapetenreste sind für vier Euro pro Rolle zu bekommen. Wer dagegen lieber richtig Geld an seiner Wohnzimmerwand hängen sehen will, ist mit einem Tapetenkunstwerk von Ulf Moritz gut bedient: Für das 21 Meter große Stück darf man 1.400 Euro hinblättern.
Egal ob zarte Blümchenmuster, riesige Ornamente, schrille Neonfarben oder kitschige Fototapeten – „eigentlich können wir jeden Wunsch bedienen“, sagt Altväter. Und wenn selbst nach Durchsicht der 280 Kataloge mit 12.000 Mustern nichts Passendes dabei ist, nimmt Altväter auch Druckaufträge an. „Außer Gold und Silber können wir alles.“
Der fröhliche 50-Jährige mit Schnauzbart und Mecki-Haarschnitt ist eigentlich gelernter Maurer. Außerdem hat er eine Ausbildung als Feinmechaniker und in der Industrielektronik absolviert. Heute arbeitet er als Waagenbauer. In seinen Zweitjob als Tapetenhändler ist er „eher reingerutscht“: Er kennt den Vorbesitzer Hermann Scholz, der das Geschäft vor vier Jahren aus Krankheitsgründen aufgeben musste. Scholz fragte Altväter und seine Frau, ob sie den Laden übernehmen würden – „und da haben wir nach kurzem Überlegen ja gesagt.“
Die Idee, sich zu spezialisieren und mit alten Tapeten etwas Neues zu wagen, hatte Scholz Mitte der 90er Jahre. Damals fing er an, die Restbestände von Geschäften, die schließen mussten, aufzukaufen. „Man könnte auch sagen, der Vorbesitzer hat das Geschäft mit dem Retro-Schick aufgebaut und wir haben es erweitert“, sagt Altväter, dessen Kundenkreis allein durch Mundpropaganda immer größer wird. Mittlerweile liefert er auch nach London oder Stockholm, und selbst das Operettenhaus in Tokio ist mit Tapeten aus Altväters Laden ausgestattet.
Bei aller Freude darüber, seine Tapeten in alle Welt zu verschicken oder sie im Fernsehen bewundern zu können findet Altväter es schade, dass nur selten Otto Normalverbraucher bei ihm einkauft. „Die denken, dass wir zu teuer sind. Dabei kosten Originale aus den 50er Jahren oft weniger als nachgemachte Muster.“
Auch bei Malutensilien sei es nicht immer günstig, in einen Baumarkt zu laufen: „Ich mache da manchmal Werksspionage“, gesteht Altväter grinsend, „und bei uns kommt man für eine Renovierungsaktion günstiger davon.“ Außerdem gebe es bei ihm noch individuelle Beratung. „Gerade beim Renovieren ist das ja wichtig. Bis jetzt hat sich jedenfalls keiner darüber beschwert, dass ich etwas Falsches erzählt hätte. Im Gegenteil, viele bedanken sich sogar per Handschlag für den Service.“
Keine Frage, für Altväter ist seine Arbeit mehr als nur ein Job. Selbst wenn sein Arbeitstag 14 Stunden oder länger dauert, erzählt er mit Feuereifer von neuen Mustern oder tüftelt an Sonderwünschen wie dem einer Kundin, die gleich mehrere Seiten aus einem Buch als Tapete an ihrer Wand haben wollte.
Bei Altväter zu Hause sieht es bislang um einiges unspektakulärer aus. „Helle Raufaser“, erklärt er fast entschuldigend. Doch es gibt Pläne: „Meine Frau und ich fahren leidenschaftlich gern Motorrad. Deswegen wollen wir jetzt im Flur eine riesige Fototapete mit Bildern von unseren Maschinen aufhängen. Natürlich in Originalgröße.“
Der Tapetenkeller, Budapester Straße 51, 20359 Hamburg. ☎ 040 / 439 64 22. Geöffnet Mo–Fr 9–18 Uhr, Sa 9–14 Uhr; www.tapetenkeller.de