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Archiv-Artikel

In der Höhle des Drachen

Die Artland Dragons gleichen in der „Best of five“-Serie des Halbfinals um die deutsche Basketball-Meisterschaft gegen RheinEnergie Köln aus. Der Dorfclub aus der niedersächsischen Provinz ist längst zum Favoritenschreck geworden

Sie waren gekommen, um den Drachen zu erschlagen. Mit Schwertern und Schilden bewaffnet hatten sich zwei Fan-Busse vom Rhein in die niedersächsische Provinz begeben, um dort das Ungetüm besiegen zu helfen. Doch im Basketball sind die Regeln andere als in der Sage. Und die Artland Dragons lassen sich in ihrer erfolgreichsten Saison seit Bestehen des Vereins nur schwer bekämpfen.

Das musste zuletzt auch Branchen-Primus Alba Berlin leidvoll erfahren. Der siebenfache Deutsche Meister wurde im Playoff-Viertelfinale der Basketball-Bundesliga vom Team aus Quakenbrück in der Region Artland deklassiert. Gerade noch waren die seit 2003 in der Basketball-Bundesliga spielenden Quakenbrücker als Achtplatzierte in die Endspielrunde gerutscht. Zum ersten Mal besiegte damit ein Achter im Playoff einen Vorrunden-Ersten.

Drei Spiele reichten den Dragons aus dem 13.000 Einwohner fassenden Städtchen am Rande des Osnabrücker Landes, um ungeschlagen das Halbfinale zu erreichen. Eine herbe Niederlage, die den Berlinern schwer zu schaffen machte. Dort spricht man von einer der „bittersten Stunden“ in der Vereinsgeschichte. In Quakenbrück sammelt man stattdessen Rekorde: Noch nie stand man im Halbfinale.

Mit RheinEnergie Köln schien dann allerdings der Siegfried gefunden zu sein, der die Niedersachsen auf ihrem Weg nach ganz oben stoppen könnte. Nach erst ausgeglichenem Spiel in der Köln Arena besiegten die Rheinländer die Provinzlinge im ersten Spiel am Ende deutlich mit 83:70, weil denen die Nerven flatterten und sie in dreieinhalb Minuten 0:13 Punkte kassierten.

Doch beim zweiten Spiel ging es in die Drachenhöhle, die am Donnerstag diesen Namen durchaus verdient hatte. In der von den hochsommerlichen Temperaturen in einen Glutofen verwandelten Halle blieb das Spiel stets offen. Nach dem ersten Viertel stand es unentschieden, genauso wie vor dem letzten Spielabschnitt. Zwar konnten sich die Dragons in der ersten Hälfte noch einen Acht-Punkte-Vorsprung herausspielen. Die Kölner nutzten allerdings immer wieder Abschlussschwächen des Gastgebers mit Fastbreaks aus. Bis dann im letzten Viertel die Niedersachsen endlich mehr Aggressivität zeigten und als Mannschaft geschlossener wirkten. Als Mitte des letzten Viertels der Ball unkontrolliert auf dem Boden rollte, stürzten sich gleich zwei Drachen auf ihn und schmissen ihn blind nach vorne, wo Nik Caner-Medley für die Neun-Punkte-Führung sorgte.

Besonders die Aufbauspieler Filiberto Rivera (14 Punkte) und Bryan Bailey (19 Punkte) sowie Center-Spieler Darius Hall (17 Punkte) sicherten den Vorsprung, so dass es am Ende 85:75 stand. Die 3.000 enthusiastischen Fans waren schier aus dem Häuschen, denn der Favoritenschreck hatte an diesem Tag schließlich doch noch das Niveau gezeigt, das ihn in den Partien gegen Berlin ausgezeichnet hatte.

Für die übrigen zwei oder drei Spiele gegen die Kölner setzt der amerikanische Coach Chris Fleming weiter auf Aggressivität: „Die Mannschaft, die bissiger ist, wird die Spiele gewinnen“, ist der Trainer überzeugt, „Das ist ein bisschen wie Straßenkampf.“ Die Zeichen für die Underdogs vom Land stehen gut, denn sie bleiben in der Finalrunde weiterhin Zuhause ungeschlagen. Und sie haben Köln in der Vorrunde zweimal besiegt.

Die Kölner Fans mussten ihre Schwerter also zunächst wieder ungenutzt einstecken. Aber vielleicht wird ja der Drachenbezwinger wie in der Nibelungensage unverwundbar. Die Entscheidung fällt allerdings frühestens am kommenden Dienstag in der Artland-Arena.HEIKO OSTENDORF