Ein Luxusproblem, endlich

Hypomanische Kauflust: Der FC Bayern verabschiedet sich von alten Grundsätzen und holt Stars wie Luca Toni und Franck Ribéry nach München. „Der Druck ist enorm groß“, sagt Manager Uli Hoeneß

AUS MÜNCHEN THOMAS BECKER

Er war nicht da. Nirgends. Kein Hitzfeld weit und breit. Stattdessen hielten Uli Hoeneß und Finanzvorstand Karl Hopfner den Neuen die rotweißen Trikots wie Lätzchen vor den Bauch. Vom Bayern-Trainer: keine Spur. Wahrscheinlich saß er zu Hause und grübelte schon mal über der Mannschaftsaufstellung. Ein gelinde ausgedrückt kniffliger Job. Kommen nun auch noch Miroslav Klose und Zé Roberto, dann steht Ottmar Hitzfeld am 29. Juni um zehn Uhr früh womöglich mit 27 Profis auf dem Trainingsplatz. Und sollten nicht noch elementarste Regeln geändert werden, darf er zum ersten Bundesligaspiel dennoch nur elf Mann auf den Rasen schicken. Der FC Bayern hat wieder ein Luxusproblem – endlich.

Alle Uli-Hoeneß-Gesichter waren bei der Präsentation der Zugänge Luca Toni und Franck Ribéry zu besichtigen: der Grinser, der Stirnrunzler, der Angesäuerte, der Müde. Die vergangenen Wochen werden als die wohl anstrengendsten in seine 28 Jahre währende Managerlaufbahn eingehen. „Mein Akku ist jetzt ziemlich leer“, bekannte der 55-Jährige, „es war eine heftige Zeit mit wenig Schlaf.“ Und es waren nicht bloß liebgewonnene Gewohnheiten, von denen sich Hoeneß verabschiedete, es waren Prinzipien. Seine Prinzipien. Die des FC Bayern. Gesetze. Ungeschrieben, aber tausendfach ausgesprochen. Vorbei. Der FC Bayern gibt Geld aus, dass die Ligen wackeln. Er zeigt der Konkurrenz aus Mailand und Madrid, dass München auch ohne Champions League als Top-Adresse gelten darf. Holt einen Italiener, der eigentlich in Italien bleiben wollte. Holt einen Franzosen, der im vergangenen Jahr noch viel zu teuer war. Dazu der übliche Bundesliga-Raubzug. Panikkäufe? Iwo! „Wir sind stolz, solche Weltstars nach München geholt zu haben. Wir haben wirklich viel Geld ausgegeben“, sagte Uli Hoeneß nach seiner manischen Shopping-Tour. Sollte die kolportierte Ablöse von rund 25 Millionen für Ribéry stimmen, wäre der Franzose neben dem früheren Dortmunder Marcio Amoroso (rund 50 Millionen Mark) der teuerste Einkauf der Bundesligageschichte.

Der FC Bayern München ist also in der Wirklichkeit angekommen. Statt wie all die Jahre vergleichsweise bescheiden in den Kader zu investieren, folgt der deutsche Rekordmeister mit den großen europäischen Ambitionen nun den Beispielen der Big Player in England, Italien und Spanien und nimmt Geld in die Hand. Zwar arbeiten die Münchner vorbildlich mit ihrem Nachwuchs, aber anders als bei der Konkurrenz aus Bremen oder Stuttgart hat die Scouting-Abteilung in den letzten Jahren bedenklich wenig Treffer gelandet. Wer nicht gucken kann, muss zahlen.

Dass all die Millionen den Klub zum Erfolg verdammen, ist jedem klar. Das kennen sie bei Bayern eh nicht anders. Und doch musste Hoeneß zugeben, „dass wir den Mund ganz schön voll genommen haben“. Er hätte auch „ich“ sagen können. Vorsichtig ruderte der Manager nun zurück: „Sicher wird es einige Zeit brauchen, bis sich die Mannschaft gefunden hat. Der Druck ist enorm groß. Wir werden gejagt, obwohl wir nicht Meister sind.“

Bis dahin werden die Bayern noch ein paar Tage selbst jagen: Klose und Zé Roberto. Bei dem einen geht es nur noch ums Geld, bei dem anderen um die Länderspielkarriere. Der Brasilianer soll nach Bayern-Wunsch die Seleção verlassen – nachdem er dort nach vielen Jahren endlich den Durchbruch geschafft hat. Sind auch diese Entscheidungen getroffen, werden Hoeneß und Rummenigge Urlaub machen – und Hitzfeld ran lassen. Kein Problem, die Mannschaft stellt sich ja praktisch von alleine auf – zumindest vorne und hinten. Kommt Klose, geht Makaay. Luca Toni ist gesetzt. In der Abwehr – zuletzt der wundeste Punkt – tut sich nichts: Marcell Jansen wird weder Lahm noch Sagnol verdrängen und wohl ins Mittelfeld rücken – zu all den anderen. Als da sind: Demichelis, van Bommel, Schweinsteiger, Ottl und Görlitz aus den Altbeständen, dazu die Neulinge Ribéry, Schlaudraff, Altintop, Sosa und eventuell Zé Roberto. Macht zehn Mittelfeldspieler für vier Plätze, vorausgesetzt Hitzfeld wechselt nicht das System: von 4-4-2 auf 4-3-3. FC Bayern reloaded – da wird es selbst auf der Ersatzbank eng.

Luca Toni, der Neue aus Pavullo nel Frignano, hat das schon am ersten Tag ganz richtig erkannt: „In den nächsten Jahren wird hier sicher Großes passieren.“