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Archiv-Artikel

Flanderns sportlicher Rechtspopulist

Jean-Marie Louis Dedecker, morgen 55, ist im ersten Anlauf mit seiner gleichnamigen Liste im belgischen Parlament gelandet. Der Ex-Judoka mit rechtspopulistischer Attitüde hat 6,5 Prozent geholt. FOTO: RTR

Nach der belgischen Parlamentswahl war die erste Frage der Moderatoren: „Hat Flandern jetzt seinen Pim Fortuyn?“ Gemeint war Jean-Marie Louis Dedecker aus Oostende – und sein Programm erinnert tatsächlich an den ermordeten Rechtspopulisten aus den Niederlanden. Dedecker ist der Überraschungssieger in Flandern. Erst im Januar hatte er seine Liste gegründet, in den Umfragen wurde ihm keine Chance gegeben und jetzt hat er mit 6,5 Prozent die flämischen Grünen überflügelt.

Wie schon der Name ausdrückt, setzt die Lijst Dedecker ganz auf die Prominenz ihres Spitzenkandidaten. Denn Dedecker ist die wohl bunteste Gestalt in der belgischen Politik. Berühmt wurde er als Trainer der Judo-Nationalmannschaft, mit der er rund 130 Medaillen gewann – davon viermal olympisches Gold. Die sportlichen Verbindungen halten bis heute: Judo-Star Ulla Werbrouck zieht für die Lijst Dedecker ins Parlament ein.

Dedecker setzt auf den „gesunden Verstand“, wie sein Parteimotto ausweist, und verspricht ansonsten, „ich tue, was ich sage“. Fortuyns Bruder Martin war von diesem Programm so begeistert, dass er willig Wahlkampf machte für die neue Liste im Nachbarland.

Dedecker begann seine Karriere als Berufspolitiker 1999 für die liberale Regierungspartei. Vorher war er Versicherungsmakler. Mit genau 52.492 Vorzugsstimmen zog er an allen etablierten Politikern vorbei in den Senat ein. „Nur fünf anderen Politikern ist dies seit dem Zweiten Weltkrieg gelungen“, betont Dedecker auf seiner Homepage. Noch heute neigt der Extrainer, der morgen 55 Jahre alt wird, dazu, Politik wie einen sportlichen Wettkampf zu betrachten: Minutiös wird berichtet, dass die Zahl der Vorzugsstimmen bei der nächsten Senatswahl 2003 sogar auf 65.105 gestiegen war.

So gern die Liberalen Dedecker als Stimmenfänger nutzten – das Verhältnis zwischen dem Quereinsteiger und dem Partei-Establishment war nie spannungsfrei. Im vorigen Oktober kam es zum endgültigen Bruch, Dedecker wurde aus der liberalen Partei Flanderns ausgeschlossen. Ein Streitpunkt war der „Cordon sanitaire“, mit dem sich alle demokratischen flämischen Parteien verpflichtet haben, keine Koalitionsverhandlungen mit dem rechtsextremen Vlaams Belang zu führen. Dedecker war dagegen immer für Gespräche mit Vlaams Belang, wie er auch in seinem Bestseller „Rechts voor de raap“ ausführte, der im Februar 2006 erschien. Binnen vier Monaten verkauften sich 30.000 Exemplare. Damit war das Buch deutlich erfolgreicher als ein Werk des liberalen Premiers Guy Verhofstadt. Ein weiterer Rekord für Exsportler Dedecker.

ULRIKE HERRMANN