berliner szenen Billig wohnen

Friedrichshain trist

Wenn ich frustriert bin, esse ich, sagt Lisa. Lisa hat fünf Kilo zugenommen. Man sieht es ihr nicht an, aber ihrer Freundin glaubt sie nicht. Hier in der Nähe gibt es keinen vernünftigen Blumenladen mehr, sagt Lisa. Ordentlich meint, keinen, wo man für teures Geld haltbare Schönheit kaufen kann.

Überhaupt gibt es hier in der Gegend fast nur noch Billigläden. Mäc Geiz, Plus, Lidl, diverse 1-Euro-Läden. Aldi ist auch nicht weit. Und wenn man bei Edeka die Tiefkühlabteilung betrachtet, könnte man weinen. Die Gerichte sind so hässlich verpackt, dass man dafür nicht viel Geld ausgeben möchte. Muss man auch nicht. Leider schmecken sie auch so, wie sie aussehen. Ein befreundeter Journalist, der zwei Straßen weiter wohnt, fährt immer noch in den Prenzlauer Berg zum Einkaufen. Dort gibt es besseres Essen. Wahrscheinlich auch bessere Blumen. Lisa überlegt, ob es dort auch bessere Zaunpfähle gibt.

Hier im Kiez sind selbst die Komplimente billig. Du hast schönere Beine als meine Freundin, sagt der Mann vom Nachbartisch. Lisa weiß nicht, wen sie mehr bemitleiden soll, sich, den Mann oder seine Freundin. Tim würde jetzt sagen: Ja, aber wenn es doch richtig ist! Tim ist kurzsichtig. Manchmal sieht er nicht ganz klar. Das ist frustrierend. Lisa schiebt sich ein Croissant in den Mund.

Lisas Freundin sagt, es gibt schönere Männer als Tim. Das ist auch richtig. Die beiden Designerläden in der Frankfurter Allee sind der einzige Lichtblick. Leider fehlt Lisa das Geld dazu. Wahrscheinlich bin ich eh zu dick, denkt Lisa. Lisa sieht sich im Spiegel. Sie betrachtet ihre Zellulite. Es gibt Momente, da weiß ich es zu schätzen, dass Tim kurzsichtig ist, sagt Lisa und lacht.

SYNKE KÖHLER