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Archiv-Artikel

Ärzte sollen über Sterbehilfe entscheiden

ETHIK Am Donnerstag diskutiert der Bundestag über den Vorschlag einiger Abgeordneter zum ärztlich assistierten Suizid. Aber nicht alle von ihnen bestehen auf eine gesetzliche Regelung

BERLIN dpa | Bundestags-Vizepräsident Peter Hintze (CDU) will nicht unter allen Umständen auf seinen Vorstoß zum ärztlich assistierten Suizid beharren – die Ärzte könnten auch ihr Berufsrecht ändern. „Wenn die Ärztekammern vorher tätig werden und sagen: Doch, in bestimmten extremen Ausnahmesituationen, die wir auch kennen, wollen wir dieser Gewissensentscheidung des Arztes Raum geben – dann brauchten wir keine staatliche Regelung“, sagte Hintze dem Spiegel.

Der Bundestag beschäftigt sich am Donnerstag in einer rund vierstündigen Debatte mit dem sensiblen Thema. Eine Gruppe von Koalitionsabgeordneten um Hintze und die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Carola Reimann macht sich für eine gesetzliche Zulassung ärztlicher Sterbehilfe stark.

Das könnte nach Meinung Reimanns auch die organisierte Sterbehilfe eindämmen. Wenn der assistierte Suizid durch einen vertrauten Arzt ermöglicht werde, würden sich Sterbevereine von selbst erledigen. „In einer solchen Grenzsituation müsste sich keiner an eine anonyme Organisation wenden oder gar noch in die Schweiz fahren.“

Die Abgeordnetengruppe hat für die Zulassung ärztlicher Hilfe bei der Selbsttötung sieben Voraussetzungen formuliert: Unter anderem müsse der Sterbende volljährig und voll einsichtsfähig sein; es müsse sich um eine unheilbare Krankheit handeln, die unumkehrbar zum Tod führe; der Patient müsse erkennbar leiden und umfassend über andere, besonders palliative Behandlungsmöglichkeiten beraten worden sein.

Die Pläne der Parlamentarier könnten auf Rückhalt in der Bevölkerung stoßen. Laut einer Emnid-Umfrage befürworten drei von vier Deutsche die ärztliche Sterbehilfe für tödlich kranke Patienten, berichtet das Magazin Focus.

„Es dürfen keine Möglichkeiten zur assistierten Selbsttötung eröffnet werden“, findet hingegen die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU). Ärzte sollten Menschen beim Sterben begleiten, nicht helfen. „Wir dürfen schwerstkranken Menschen nicht das Gefühl vermitteln, dass sie der Gesellschaft zur Last fallen.“

Gegenwind bekommt Reimann auch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Die Vorschläge der Abgeordneten-Gruppe werde „Sterbewillige nicht davon abhalten, in die Schweiz zu fahren“, teilte Stiftungsvorstand Eugen Brysch mit. Denn dabei gehe es meist nicht um tödliche Krankheiten, sondern um „die Angst vor Abhängigkeit oder eine Depression“. Die Pläne hätten aber schwere Auswirkungen auf Betroffene in Deutschland. „Sie erhöhen den Druck auf Schwerstkranke, den Weg der begleiteten Selbsttötung zu gehen“, kritisierte Brysch. Reimann erhofft sich von der Bundestagsdebatte auch eine möglichst starke Wirkung in der Öffentlichkeit. Damit könnten Sterbebegleitung oder die Hospiz-Bewegung mehr Aufmerksamkeit bekommen. Dem Sterbenden gebe die Möglichkeit eines tödlichen Medikaments große Sicherheit. Dies könne gerade zu einer Suizidvermeidung führen.

Vielen Patienten sei umgekehrt bewusst, dass der Wunsch nach Sterbehilfe auch für den Arzt eine belastende Entscheidung sei. Zum Teil bestehe eine gewisse Hemmung, den Arzt auf den eigenen Sterbewunsch anzusprechen. „Eine große Zahl der Ärzte kann sich das aber vorstellen“, sagte Reimann.