LESERINNENBRIEFE :
Eindrucksvolle Streikkraft
■ betr.: „Spinnen die Lokführer?“, taz vom 7. 11. 14
Dass dieser Konflikt nicht einfach mit dem Ego des Vorsitzenden abgetan werden kann, beweist die eindrucksvolle Streikkraft dieser Gewerkschaft. Oder will jemand ernsthaft behaupten, dass es sich um willenlose Werkzeuge ihres Vorsitzenden handelt? Wer trotz wilder Reaktionen faktisch der gesamten deutschen Journaille und der Parteifunktionäre nichts an Streikentschlossenheit verliert, hat offensichtlich starke Motive.
Bei ihrem Kampf geht’s in der Tat um die Verteidigung elementarer Grundrechte: Es geht um nichts mehr und nichts weniger als um die Koalitionsfreiheit der abhängig Beschäftigten. Verliert die GDL diesen Kampf, so bestimmt morgen faktisch der Arbeitgeber, bei welcher Gewerkschaft sich das Personal organisieren darf. Eine Niederlage der GDL hätte früher oder später auch einschneidende Folgen für die anderen Gewerkschaften, die heute der GDL ganz offen in den Rücken fallen oder „neutral“ als Zaungast zuschauen. Deshalb: Die GDL verdient volle Unterstützung für ihren mutigen Kampf.
CHRISTOPH LIPS, Zürich, Schweiz
Streik muss wehtun
■ betr.: „Spinnen die Lokführer?“, taz vom 7. 11. 14
Es wurde höchste Zeit, dass in Deutschland exemplarisch und spürbar Widerstand geleistet wird gegen die ständige Dumpingspirale im Namen der „Wettbewerbsfähigkeit“, wenn auch durch kleine Spartengewerkschaften. In der früheren ÖTV haben die Müllkutscher die Rolle gespielt, die heute die Lokführer spielen: einen Streik, nicht zufällig im Grundgesetz hochrangig geschützt, solidarisch so durchzuführen, dass es richtig wehtut. Die DGB-Gewerkschaften haben sich aber in den vergangenen 20 Jahren unter dem Druck des neoliberalen Wahns ihren Kampfgeist abkaufen lassen, allerdings an die Wand gedrängt durch Mitgliederverluste, die durch diese Ideologie mit verursacht waren. Nicht zuletzt war es Transnet, die ohne Widerstand die Zerstörung der Bahn als öffentliches Gut durch Mehdorns Börsenwahn hingenommen bzw. sogar den Privatisierungsunsinn aktiv gefördert hat. Resultate: die jahrelange Lähmung der S-Bahn in Berlin durch hoch bezahlte BWL-Schnösel im Vorstand, da war kein einziger Lokführer beteiligt; die zeitweise Stilllegung des Mainzer Hauptbahnhofs durch Einsparungen beim Stellwerkspersonal, da war auch kein Lokführer beteiligt; das Wahnsinnsprojekt Stuttgart 21 etc. Wenn jetzt aber mal statt des Bahnmanagements die Lokführer den Laden stilllegen, haben alle Medien Schaum vor dem Mund.
Seit der Privatisierung ist Kostendrückerei und Renditegier Unternehmensphilosopie; früher war es mal das „Ethos des Fahrplans“ und die Herstellung einer guten öffentlichen Infrastruktur, also der Gebrauchswert für die Bevölkerung. Wie Richard Rother der GDL die „nachhaltige Schädigung des umweltfreundlichen Schienenverkehrs“ in die Schuhe zu schieben, ist deshalb völlig daneben. Das „rechnerische Gehaltsplus“, das er skandalös findet, gleicht nicht mal die Reallohnverluste der letzten fünf Jahre aus. Insofern hält heute die GDL den Kopf für die Versäumnisse der DGB-Gewerkschaften hin, und natürlich sollten sich EVG und GDL schleunigst zusammensetzen, um gemeinsam zu kämpfen und zu streiken.
Herr Reeh empfiehlt das neoliberale Patentrezept „Wettbewerb“ zwischen Gewerkschaften. Das ist das genaue Gegenteil des Gewerkschaftsgedankens, denn hier geht es zentral um die Aufhebung der Konkurrenz der Arbeitnehmer untereinander. Wo Wettbewerb und Renditewahn ansonsten hinführen, zeigen ja die Bahnen zum Beispiel in England. Die Infrastruktur ist ein öffentliches Gut, das nicht im neoliberalen Jargon „subventioniert“ wird, sondern ganz einfach öffentlich und demokratisch kontrolliert finanziert, dann funktioniert sie auch (siehe Schweiz). WOLFGANG NEEF, Berlin
Fehlende Auseinandersetzungen
■ betr.: „Spinnen die Lokführer?“, taz vom 7. 11. 14
Martin Reeh hat endlich auf den Punkt gebracht, worum es wirklich geht: nämlich um Richtigstellung der Tatbestände. Dass es aber auch die taz nicht lassen kann, der Mainstreamversuchung voll zu widerstehen, nämlich jenen eine Plattform zu geben, die mit „Argumenten“ aus der neoliberalen Mottenkiste unter dem Mantel öffentlichen Interesses die GDL verunglimpfen dürfen, ist mehr als bedauerlich. Was soll man von den Auslassungen Richard Rothers halten? Die taz muss jenen Stimmen nicht auch noch Gehör verschaffen, die vom öffentlich-rechtlichen TV über die Arbeitgeberseite bis hin zu und Nahles & Co. zum Erbrechen zu verfolgen sind und in der GDL die Schuldige ausmachen. Wo sind denn im veröffentlichten Diskurs die Auseinandersetzungen mit dem Bahnvorstand, der unwidersprochen von sich geben kann, was er will, und mit den angepassten Gewerkschaften, von denen man kein solidarisches Wort zur GDL vernehmen kann? WOLFGANG PACKEBUSCH, Königsbrück
Ärgerliche Privatisierungen
■ betr.: „Spinnen die Lokführer?“, taz vom 7. 11. 14
Viele ärgern sich gerade über den Kampf der Gewerkschaft. Ich ärgere mich (immer noch) über die Privatisierung der Deutschen Bahn, der Deutschen Post usw. Eine Infrastruktur, die für die Gesellschaft eine solche Relevanz hat, darf nicht privatisiert werden. Viele Postfilialen sind heute „Löcher“ mit schlecht bezahlten Mitarbeitern. Der Gewinn soll eben an die Aktionäre der Deutschen Post AG fließen. Auch die Deutsche Bahn soll rentabler und irgendwann eine AG werden. Niedrige Lohne und steigende Fahrkartenpreise zielen darauf ab. DAVIDE BROCCHI, Köln