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Archiv-Artikel

Slow Food

Der Verein stellt sich der Entfremdung vom Essen entgegen und lädt ein, sich mit seinem Essen verbunden zu fühlen. Als politischen Akt, versteht sich

Where to Slow Food?

heute:

■ Stammtischtreff im Café Fontane, 19 Uhr, Pestalozzistr. 70, Charlottenburg

morgen:

■ Salatgeflüster präsentiert: Das demokratische Weinbuch, 18–20 Uhr, Markthalle IX, Eisenbahnstraße 42/43, Kreuzberg

■ Honigfest im Prinzessinnengarten, ab 13 Uhr, U-Bhf. Moritzplatz

Im Netz: www.slowfood-berlin.de

Berlin ist ein Paradies für ImkerInnen. Zum einen sichert ihnen die große Blütenvielfalt der Stadt einen hohen Ertrag und ein breites Spektrum an Honigsorten. Zum anderen sind die Bienen in der Stadt nicht durch landwirtschaftliche Pestizide gefährdet. Aus diesen Gründen werden immer mehr ImkerInnen in Berlin aktiv, die auf den Balkons und Dächern des gesamten Stadtgebiets ihre Bienenvölker ansiedeln. Über 600 ImkerInnen sind es zurzeit in Berlin.

„Honig ist ein echtes Berliner Produkt. So schmeckt das grüne Berlin. Viel besser als Industriehonig. Und von hoher handwerklicher Qualität“, kommentiert Pamela Dorsch, Leiterin von Slow Food Berlin. In ihrer aktuellen Kampagne wirbt Slow Food Berlin für die Berliner Stadtimkerei und urbane Landwirtschaft. Am 13. August wird es ein Honigfest im Prinzessinnengarten in Kreuzberg geben. ImkerInnen, die ihre Bienenstöcke im 3-km-Flugkreis des Garten stehen haben, werden dort sich und ihren Honig vorstellen.

Wer jetzt denkt, Slow Food sei lediglich ein Gourmet-Verein, irrt. Slow Food engagiert sich für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion und faire Preise sowie gegen Gentechnik und für den Erhalt der Biodiversität. Entsprechend lautet die Losung von Slow Food: „Gut, sauber und fair“.

Das Zitat stammt vom Carlo Petrini, dem Gründer von Slow Food. 1986 rief der Italiener gemeinsam mit weiteren MitstreiterInnen aus der kommunistischen und anarchistischen Bewegung die Initiative ins Leben, als Reaktion auf die geplante Eröffnung einer McDonald’s-Filiale an der Spanischen Treppe im Zentrum Roms. Seitdem kämpft Slow Food weltweit für eine bäuerliche und handwerkliche Produktion von Lebensmittel und den Erhalt von lokaler Esskultur.

Inzwischen ist aus Slow Food eine weltweite Bewegung mit Ablegern in 150 Ländern und mehr als 100.000 Mitgliedern geworden. Slow Food Deutschland feiert im kommenden Jahr bereits sein 20-jähriges Jubiläum. Zu den 600 Mitgliedern und 37 Förderern von Slow Food Berlin zählen neben Gastronomen, LebensmittelhandwerkerInnen und -händlerInnen ebenfalls KonsumentInnen, die in der Slow-Food-Sprache auch als „Co-ProduzentInnen“ bezeichnet werden. Die Slow-Food-Bewegung will deutlich machen, dass KonsumentInnen die Lebensmittelproduktion durch ihre Kaufentscheidungen beeinflussen können.

Damit die Konsumenten ihre „Macht“ auch an den richtigen Stellen einsetzen, bemüht sich Slow Food Berlin um die entsprechende Aufklärungsarbeit. „Das für kritischen Konsum erforderliche Wissen ist oft verloren gegangen“, konstatiert Lars Jäger, der gemeinsam mit Pamela Dorsch Slow Food Berlin leitet. Deshalb hat es sich die Gruppe zur Aufgabe gemacht, mit unterschiedlichen Aktivitäten dieses Wissen wieder zugänglich zu machen: Lokale ProduzentInnen, die gut, sauber und fair Lebensmittel produzieren, bekommen beispielsweise auf Märkten oder über einen Einkaufsführer, der gerade erstellt wird, eine Plattform. Das sechs Mal im Jahr bundesweit erscheinende Slow Food Magazin bietet vielfältige Informationen.

In regelmäßigen Abständen lädt Slow Food Berlin zudem zu Ausflügen zu Bauernhöfen und Lebensmittelhandwerkern in Berlin oder im Umland ein. Dort erhalten die BesucherInnen nicht nur die Möglichkeit, die jeweiligen Produkte wie Tomaten, Ziegenkäse oder Wurst zu probieren, sondern bekommen auch einen Einblick in den Produktionsprozess. Das Ziel der Ausflüge ist klar definiert: Die Beziehung von ProduzentInnen und VerbraucherInnen soll gestärkt werden. „Damit stellen wir Transparenz her. Die Leute bekommen ein Bewusstsein dafür, was sie tagtäglich überhaupt kaufen und essen“, erklärt Pamela Dorsch.

Im Juni war Slow Food bei den ersten Hochschultagen für Nachhaltigkeit und Klimaschutz an der FU Berlin vertreten, um auch die jüngere Zielgruppe für fairen Konsum zu begeistern und für die Bewegung zu gewinnen. In Kürze soll an der FU eine eigene Campus-Gruppe entstehen. Darüber hinaus ist Slow Food Berlin auch in den gängigen sozialen Netzwerken unterwegs, um weitere UnterstützerInnen für seine Arbeit zu gewinnen.

„Wir sind ein Mitmach-Verein“, sagt Lars Jäger. Entsprechend freut man sich über Menschen, die inhaltlichen Input mitbringen und selbst etwas auf die Beine stellen wollen. Aber auch Leute, die einfach nur gemeinsam gut kochen, essen und trinken oder leckeren Lindenhonig probieren wollen, sind willkommen. „Letzterer schmeckt nirgends so gut wie in Berlin“, lockt Pamela Dorsch, ganz ohne Agrobusiness im Rücken. Nur die Kreuzberger Bienen summen zufrieden. LUKAS DUBRO