Hamburger Szene : Tach auch!
An manchen Tagen ist man wirklich göttlich robust. Da ist einem egal, ob man gegrüßt wird oder nicht. Da schert es einen nicht, ob Verkäufer in Läden freundlich sind. An anderen Tagen wiederum – da denkt man äußerst kleinkariert: Man hat schließlich bezahlt (oder plant es zumindest). Also will man auch ein munteres „Guten Tag, wie geht es Ihnen?“ entgegengeschmettert bekommen. Zum Beispiel im Fotoladen meines Viertels: Habe ich nicht auch dort ein Anrecht auf des Verkäufers Höflichkeit? Nichts Aufwendiges – lediglich ein vernehmliches „Hallo“?
Nein, habe ich wohl nicht: Wortlos stiert der Verkäufer, nachdem ich „Guten Tag“ geflötet habe. Stumm greift er nach meinem Fotokuvert. „Warum grüßen Sie eigentlich nicht?“, frage ich beiläufig. „Habe ich!“, keift er sofort und guckt wie ein Teufel. „Laut und deutlich!“
Hatte er nicht. Aber es wäre auch schon egal gewesen, hätte sich nicht die Kundin am Postkartenständer in der Ecke zu Wort gemeldet: „Ich hab’s auch gehört, Wort für Wort!“, faucht sie in meine Richtung. Und abgesehen davon, dass ein so unsolidarisches Verhalten unter Kunden in meiner rheinischen Heimat undenkbar wäre, fragt man sich: Was hat die Frau geritten? War sie die heimliche Geliebte des mäßig hübschen Verkäufers? Wollte sie es alsbald werden? Oder brodelte in ihr ein Hass auf Frauen, weil ihre Stieftante einst so gemein zu ihr war? Als Kind zu viel Himbeersaft getrunken? Wir werden es nie erfahren.
PETRA SCHELLEN