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Archiv-Artikel

Die Sonne schickt eine Rechnung

Moderne ökologische Politik lässt sich nur durchsetzen, wenn sie auch für einen sozialen Ausgleich sorgt. Das ist ein Thema, bei dem die neue Linkspartei Akzente setzen kann

Ulrich Schachtschneider ist Ingenieur für Energietechnik und promovierter Sozialwissenschaftler. Er ist Referent im Attac-Netzwerk und gehört dem Arbeitskreis Nachhaltigkeit der Rosa-Luxemburg-Stiftung an.

Es scheint so einfach, ökobewusster zu leben. Das spart Geld, nützt der Umwelt und schafft Arbeitsplätze. Einziges Hemmnis scheinen bornierte Menschen und eine bornierte Politik zu sein. Das hat nun auch der Vorsitzende der „Linken“ erkannt. Oskar Lafontaine will die Linkspartei daher zur Umweltpartei umformen. Man fragt sich allerdings: Warum ist das nicht schon längst passiert?

Alle Parteien, selbst die Grünen, fürchten, ihre Wähler mit der Wahrheit zu konfrontieren. Umweltpolitik bedeutet Verzicht. Bisher hat der unbegrenzte Zugang zu Energie und Rohstoffen, kombiniert mit einer verbesserten Technik, dafür gesorgt, dass sich nicht nur Wohlhabende Autos, größere Wohnungen, iPods oder auch Fernreisen leisten können. Der ungehemmte Rohstoffverbrauch hat den Konsum relativ demokratisiert. Knapper werdende Ressourcen drohen diesen Trend nun umzukehren. Die erste Konsequenz – eine Verteuerung von Energie – können wir gerade beobachten.

Es ist illusorisch anzunehmen, diese Verteuerung könnte durch regenerative Energieerzeugung oder Kreislaufwirtschaften aufgehalten und das soziale Ziel erreicht werden, ärmeren Schichten weiterhin diesen Zugang zu Ressourcen zu ermöglichen.

Nur: Nachhaltige Techniken können billig und umweltfreundlich zugleich sein. Die Nutzung regenerativer Energiequellen ist nicht kostenlos, wie vielfach glorifiziert wird („Die Sonne schickt keine Rechnung“). Windenergie, Photovoltaik, Solarthermie, Geothermie oder Biomasse erfordern hohen technischen Aufwand. Die Erzeugung von Strom und Wärme aus regenerativen Quellen ist bei den meisten Verfahren vier bis sechs Mal so teuer wie bei konventionell-fossilen Techniken.

Viele öko-technisch Engagierte hoffen, dass die Kosten sinken, wenn die nachhaltigen Techniken massenweise eingeführt werden. Doch den dafür angeführten Hochrechnungen ist mit Skepsis zu begegnen. Die Kosten sinken nach anfänglich stärkeren Reduktionen nur noch wenig. Dies zeigt sich empirisch bei den Windkraftanlagen, der thermischen Solarenergie sowie der Photovoltaik, die bereits seit 20 Jahren eingeführt sind. Die geringe Kostendegression bei regenerativen Technologien liegt an der dezentralen Erzeugung. Kostensenkungen sind in der Geschichte der Industrialisierung vor allem durch Skalen-Effekte, also ständig vergrößerte Produktionsanlagen, erreicht worden.

Alle ökonomischen Instrumente der Umweltpolitik verteuern Energie und die anderen Ressourcen. Dies ist bisher nur noch nicht signifikant der Fall, weil die Medizin noch nicht stark genug ist. Die Sätze der Ökosteuer sind noch zu niedrig, das Volumen der garantierten Einspeisevergütung noch zu gering, die Menge der Zertifikate noch zu hoch, als dass wirksam in Richtung eines größeren Anteils nachhaltiger Technologien gesteuert würde.

Die zentrale Frage ist: Wie etwa lässt sich eine Ökosteuer, die wirklich steuert, durchsetzen? Wie soll sie von den Massen akzeptiert werden können, für die viele Produkte teurer würden, während die Vermögenderen exklusiv weiter Ressourcen nutzen können? Umweltpolitik wird sich nur durchsetzen lassen, wenn sie die soziale Ungleichheit nicht vergrößert oder – besser noch – die soziale Gleichheit erhöht. Dies gilt national wie global.

Es ist sinnlos, bestimmte ökologisch motivierte Lebensstile allgemein vorzuschreiben

Die soziale Frage mitdenken heißt nicht nur Verteilung denken. Die Moderne ist durch eine Tendenz zur Fragmentierung der Lebenswelten gekennzeichnet. Die Milieus mit ihren Konsumstilen, Verhaltensregeln und kulturellen Codes driften auseinander. Daher ist es sinnlos, bestimmte ökologisch motivierte Lebensstile allgemein vorschreiben zu wollen, etwa durch Appelle. Der Einzelne steht in der modernen Gesellschaft vor der Aufgabe, sein nicht mehr vorgegebenes Leben zu inszenieren.

Einer kleinen Gruppe kann dies sogar durch einen ökologisch besseren Lebensstil gelingen. Dieses Milieu zieht seinen Distinktionsgewinn daraus, dass es hier Vorreiter sind. Genau dieser Mechanismus verhindert aber die Verallgemeinerung ihres Lebensstils. Wir können in der modernen Gesellschaft nicht erwarten, dass sich ein relevanter Teil der Menschen diesem Lebensstil anschließt. Es gibt hunderte anderer Möglichkeiten, sich zu inszenieren, die für die meisten Menschen naheliegender sind. Appelle werden diese Mechanismen nicht umkehren.

Die Freiheitsgewinne der Moderne basieren auch auf der Erweiterung freier Zeit, ermöglicht durch industrielle Rationalisierung. Wird aus umweltpolitischen Erwägungen appelliert, wieder mehr Tätigkeiten mit der Hand zu verrichten, fruchtet dies kaum. Dies äußert sich in der vielfach belegten und beklagten Diskrepanz von Umweltbewusstsein und -handeln. Bei einem stromfressenden Wäschetrockner sagen die meisten: „Ja, es wäre besser, die Wäsche mit der Hand aufzuhängen.“ Unsere Wäsche-Praxis werden wir dennoch nicht umorganisieren, weil wir dafür andere, vorrangige Aktivitäten fallen lassen müssten.

Hinter diesen Zugewinn an Lebenschancen durch Produktivitätssteigerung kann eine emanzipative Umweltpolitik nicht zurückgehen. Sie sagt nicht: „Toll, dass es mehr Arbeit durch Ökologie gibt.“ Sie spricht auch nicht von einer „doppelten Dividende“ der Ökotechnik: „Wir schützen unsere natürliche Umgebung und wir bekommen mehr zu tun.“

Kleinteilige Produktionsstrukturen, partielle Selbstversorgung, handwerkliche Produktion können zu einer mehr selbstbestimmten Lebensweise gehören, wenn sie freiwillig gewählt werden. Als generalisierte Modernestruktur wird sie sich nicht wieder herstellen. Zudem ist fraglich, ob ökologisch gesehen gilt, dass small beautiful ist. Handwerkliche Produktion hat ihre spezifischen Qualitäten. Sie ist in den meisten Fällen jedoch nicht ressourcensparender als industrielle Massenproduktion.

Wir haben es also mit einer neuen Verteilungsfrage unter den Bedingungen der kulturellen Fragmentierung der Moderne zu tun. Daraus folgt: Umweltpolitische Instrumente müssen immer auch in Richtung Gleichheit und Selbstbestimmung weisen – sonst sind sie nicht durchsetzbar. Ein Konzept dafür wäre etwa eine Ökosteuer mit Ökobonus: Das Ökosteuer-Aufkommen wird gleichmäßig pro Kopf wieder direkt an die Bevölkerung zurückgezahlt. Ärmere Schichten würden ein Plus haben, weil sie weniger als der Durchschnitt an Rohstoffen oder Flächen verbrauchen. In einem solchen Modell wäre es kein Problem, die Ökosteuer weiter zu erhöhen, würde sie dadurch doch noch sozialer.

Die Erfahrung zeigt: Nachhaltige Techniken sind nicht zugleich billig und umweltfreundlich

Solche Vorschläge werden sich nicht im Konsens durchsetzen lassen. Aber wie sonst kann eine moderne Gesellschaft ihr Problem der knappen Ressourcen und des Klimawandels lösen, wenn sie nicht gleichzeitig mehr Gleichheit und Selbstbestimmung ermöglicht? Hier sieht der Vorsitzende der Linkspartei zu Recht eine Perspektive. Er sollte diese politische Leerstelle füllen.

ULRICH SCHACHTSCHNEIDER