: Materialschlacht um Hogwarts
AUSGEMUGGELT In „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes: Teil 2“ von David Yates kommt die Mär vom kleinen Zauberlehrling mit viel Horror und Getöse zu seinem Ende
VON WILFRIED HIPPEN
Da der Erfolg der Harry Potter Saga eher ein kulturelles Phänomen als ein literarisches oder cineastisches ist, waren sowohl die Bücher wie auch die Filme von Anfang an kritikresistent. Was in den Feuilletons stand und steht, interessiert die Fangemeinde überhaupt nicht. In gewisser Weise sind sie selber ja auch Teil des Gesamtkunstwerks „Harry Potter“, denn sie sind mit ihm groß geworden und haben dadurch, dass sie die Bücher und Kinokarten in solchen Massen gekauft haben, dieses außerordentliche Werk mit erschaffen.
Alleine durch seine Dimensionen ist die Reihe von Harry-Potter-Filmen zugleich gnadenlos kommerziell und avantgardistisch, denn Filmwerke von fast zwanzig Stunden Laufzeit und zehn Jahren Drehzeit - das gab es bisher nur im Experimentalfilm und bei dokumentarischen Langzeitbeobachtungen. Man kann im Kino den jungen Schauspielern wie Daniel Radcliffe und Emma Watson beim groß werden zusehen. Im ersten Film waren sie noch Kinder mit Babyspeck, im letzten sind sie eigentlich schon zu alt für ihre Rollen, denn die sieben erzählten Jahre brauchten mehr als zehn Jahre, bis ihre filmische Umsetzung nun abgeschlossen ist. Dass das Publikum zusammen mit den Darstellern älter wurde, macht einen nicht zu unterschätzenden Teil des Erfolgs der Filmreihe aus, und auch das Konzept von J. K. Rowling, mit den Protagonisten den Stil der Geschichte zu entwickeln, sodass sie als ein buntes Kindermärchen begann und nun als eine düstere Horrorgeschichte endet, hat sich als sehr effektiv erwiesen.
Aber für diese enge Bindung der Fans an das Werk muss auch ein Preis gezahlt werden. Regisseur David Yates und Drehbuchautor Steve Kloves durften sich keinerlei Freiheiten mit dem Stoff erlauben, denn weil die millionenfache Leserschaft jede Szene, jedes Detail und jede erzählerische Wendung mindestens genau so gut wie die Filmmacher kennen, ist die Entscheidung, ob und was geändert oder gar rausgeworfen wird, keine ästhetische, sondern eine taktische. Möglichst viel aus dem Buch sollte möglichst eindrucksvoll übernommen werden; Werktreue war hier nicht gewünscht, sondern gefordert. Darunter leidet der Film als solcher, aber das kann man den Filmemachern kaum vorwerfen, denn wie will man einen erzählerischen Rhythmus erzeugen, wenn man von einer spektakulären Szene zur nächsten hetzten muss um alle Höhepunkte des Buches in 130 Minuten unterzubringen. So macht die Entscheidung, das letzte Buch in zwei Teilen zu verfilmen, die natürlich vor allem Beutelschneiderei war, nun doch noch halbwegs Sinn, obwohl im ersten Teil eindeutig zu wenig und im zweiten zu viel passiert.
Über weite Passagen besteht der Film aus Materialschlachten zwischen einem Heer der Guten um Harry und einem Heer der Bösen um seinen ewigen Widersacher Voldemort. Hier kommen die 3 D- Effekte am besten zur Geltung. Beim letzten Film waren sie noch so unausgegoren, dass die Produzenten die Notbremse zogen und ganz auf sie (und viel Geld an den Kinokassen) verzichteten. Ein Jahr ist in der Kino-Technologie inzwischen fast schon eine Generation, und die Filmemacher haben viel von James Cameron gelernt, indem sie nicht ständig Dinge auf das Publikum zufliegen lassen, sondern die Effekte viel souveräner und überzeugender einsetzen. Bei „Harry Potter“ wird auch immer von den Räumen erzählt (man erinnere sich an das tollwütige Treppenhaus im ersten Teil) und Hogwarts wird hier sehr eindrucksvoll in Trümmer gelegt.
Neben all den kindlichen Nettigkeiten der ersten Teile wie Quidditch bleiben leider auch all die britischen Schauspieler-Legenden auf der Strecke. Am meisten werden wohl die englischen Kinodarsteller das Ende der Serie beklagen, war sie doch für sie eine Art von gut bezahlter Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Zum Beginn konnte sie sich zudem noch über saftige Rollen freuen. Maggie Smith als strenge Lehrerin, Helena Bonham Carter als Furie, Robbie Coltrane als sanfter Riese waren pittoreske, schön ausgeführte Rollen, doch nun sind sie zu reinen Stichwortgebern mit Alibi-Auftritten verkümmert. Nur Ralph Fiennes darf als Lord Voldemort zu fieser Höchstform auflaufen und das Publikum ein letztes Mal das Fürchten lehren. Jetzt ist aber auch genug.