: Senat will Partys alleine feiern
Land zieht „Erlaubnispraxis“ für Veranstaltungen an prominenten Straßen und Plätzen an sich und entmachtet Innenstadtbezirke. Pure Werbeevents sollen so verhindert werden. Die Bezirke schäumen
VON ROLF LAUTENSCHLÄGHER
Die Bezirke Mitte und Charlottenburg sollen künftig nicht mehr darüber entscheiden können, wer auf ihren Straßen und Plätzen Fußball guckt, Partys feiert, Musik macht, Umzüge oder ein dickes kommerzielles Event abzieht, sondern allein das Land Berlin und der Senat.
Anstatt wie bislang in den Bezirksämtern will die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung „die straßenverkehrsrechtliche Erlaubnis von Veranstaltungen in zentralen Bereichen“ in ihrer Behörde regeln lassen. Alle notwendigen Genehmigungen sollten die Veranstalter „in einem zeitgemäßen Service aus einer Hand erhalten“, sagte Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD), die den Gesetzentwurf gestern in den Senat einbrachte. Der Entwurf soll nun dem Rat der Bezirksbürgermeister zur Stellungnahme zugeleitet werden. Dieser hat bereits Einspruch gegen die „kommunale Entmachtung“ angekündigt.
Betroffen von der geplanten Änderung der „Erlaubnispraxis“ wären die bekannten Partymeilen und wichtigen Plätze in der City-Ost und -West: der Alexander- und Bebelplatz, der Pariser, Leipziger und Potsdamer Platz, Gendarmenmarkt und Schlossplatz sowie der Europa- und der Breitscheidplatz, die Straße des 17. Juni vom Großen Stern bis zum Brandenburger Tor und die Straße Unter den Linden. Dort hatte es jüngst – wie bei der Eisbahn am Bebelplatz oder den über 20 Massen-Events auf der Straße des 17. Juni – Unstimmigkeiten zwischen dem Bezirk und dem Land um die Dauer der Veranstaltung, Dimension und Marketing gegeben.
Mit dem zentralisierten und somit „schnelleren“ Genehmigungsverfahren, so die Senatorin, könne in der Senatsverwaltung nun auch über die „Qualität“ und den Zeitraum der Veranstaltung besser entschieden werden. „Es geht nicht darum, etwas zu verhindern“, sagte Junge-Reyer. Doch man werde sich die Veranstaltungen – und was dabei getan wird – „sehr genau anschauen“. Zugleich solle verhindert werden, dass diese öffentlichen Orte für „pure Produktdarstellungen und Werbung“ benutzt würden. Die vielen „symbolträchtigen Orte Berlins“, die als „attraktive Plattform für Feste“ genutzt und „die international mit Deutschland assoziiert werden“, müssten besonders behandelt werden.
Gar nicht einverstanden mit den Absichten Junge-Reyers zeigte sich Monika Thiemen (SPD), Bürgermeisterin des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf. „Ich halte die Neuregelung der Zuständigkeiten für schlichtweg falsch“, sagte sie der taz. Der Senat greife damit massiv in die Kommunalverwaltung ein. Außerdem sei es kein guter Stil, statt „gemeinsam zu handeln“ mit einer Entmachtung der Bezirke aufzuwarten. „Ich gehe davon aus, dass der Rat der Bürgermeister die Vorlage einstimmig zurückweisen wird“, sagte Thiemen. Daraufhin muss sich das Parlament mit der Stellungnahme der Bürgermeister befassen. Doch ist es unwahrscheinlich, dass eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus die Bezirke unterstützt.