: … und kein bisschen leise
JUBILÄUM Die Hamburger Noise-Rock-Band Potato Fritz feiert ihr 20-jähriges Bestehen. Die zu solchen Anlässen nahe liegenden Fehler überlässt sie anderen
VON ROBERT MATTHIES
Wenn man nicht ganz genau hinsieht, dann erinnert so ein 20-jähriges Bandjubiläum oft an ein Begräbnis: Irgendein Gründungsmitglied, mehr oder weniger würdevoll gealtert, schart nach Jahren der Funkstille und auf dem Höhepunkt der eigenen Mittlebenskrise jene Handvoll ehemaliger Mitstreiter um sich, die sich noch ertragen können. Die leeren Plätze werden notdürftig mit Ersatz aufgefüllt – gern auch: den eigenen Kindern.
So singt und musiziert man sich durch die Geschichte von etwas eigentlich längst zu Grabe Getragenem, und am Ende ersteht das mitgealterte Publikum – dem die erste Platte ganz viel bedeutet hat und das alte Band-T-Shirt eigentlich auch noch ganz gut passt – das zusammengeschusterte Best-of-Album. Weitere fünf Jahre danach sieht man sich wieder, nur: Auf der Bühne stehen dann ganz andere.
Aber es geht auch anders, wenn man es denn in all den Jahren anders gemacht hat: Seit einem bierseligen Abend im legendären Heinz Karmers Tanzcafé, dem 14. November 1994, also seit sage und schreibe 7.306 Tagen, spielen Bernd Kroschewski, Kolja Marquardt, Oliver Bolender und Ralf „Err Jott“ Jucknieß als Potato Fritz schon gemeinsam Noiserock – ohne Pause, ohne Besetzungswechsel.
Und ohne Kinkerlitzchen: Gitarren und Bass klingen erklärtermaßen so schmutzig wie das Pflaster vor der „‚Mutter‘, auf das man im Morgengrauen nach Verlassen der Kneipe knallt“. Dazu Kroschewskis Gesang – ein veritables Seele-aus-dem-Leib-Brüllen – und das Schlagzeug, aus der Err Jott die Scheiße prügelt. Lärm für Menschen, die mögen, wenn es auch mal weh tut. Mit ebenso viel Adrenalin wie Melodiebewusstsein.
Gefragt nach einem Erfolgsrezept, weiß Kroschewski – hauptberuflich in der Abwasserbranche tätig und gemeinsam mit seinem Bruder Franko seit auch bereits 22 Jahren Betreiber des verdienstvollen Kleinstlabels Fidel Bastro – nur von der Abwesenheit jeglicher „musikalischen Differenzen“ zu berichten. Und vom geteilten Desinteresse am Musikgeschäft. Wichtig war immer nur eine einzige ökonomische Entscheidung: Möglichst niedrige Preise für Platten und Konzerte.
Apropos Platten: Auch da haben sich diese Überzeugungstäter nicht scheuchen lassen: Drei Jahre haben sich Potato Fritz bis zur ersten Single Zeit gelassen, acht Jahre später war dann auch schon das bislang einzige Album mit dem Titel „Baumwolllitze“ fertig.
Gefeiert wird nun nicht nur das Jubiläum einer echten Hamburger Rockinstitution. Sondern zugleich diese immer randständige, offene DIY-Trash-und-Tresen-Selbsthilfestruktur, die Bands wie Potato Fritz überhaupt erst möglich macht. Mit dabei sind nun neben den Jubiliaren das Hamburger Trio Tschilp und die Düsseldorfer Mofa-Punks Oiro, außerdem zeigt VJ Wasted seine Videoshow. Ach ja: eine „Asbest-of“-Platte wird es am heutigen Samstagabend im Westwerk auch geben.
■ Geburtstagskonzert mit Potato Fritz, Tschilp, Oiro und VJ Wasted: Sa, 15. 11., 21 Uhr, Westwerk