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Archiv-Artikel

Friedhof der Rocker

Bei der 125. Kieler Woche gibt’s mal wieder reichlich Ramsch von der Resterampe des Rock-Business

Alle Jahre wieder kommt die Kieler Woche. Das ist schon seit 125 Jahren so. Und mit dem Ereignis sind offenbar auch die Protagonisten gealtert. Wie jetzt, Mumiensegeln? Nein, nein. Die Starbootsteuermänner und Tornado-Vorschoter sind doch nur folkloristischer Zierrat.

Die wahren Stars an der Förde kommen aus Musik und Show. Und bei denen ist Reife offenbar erstes Qualitätskriterium. Rocker vom Dienst ist in diesem Jahr Peter Kraus. Dem lebenslänglich Halbstarken ist inzwischen zwar die Tolle ausgegangen, aber bei jeder Gelegenheit droht er: „Ich erfülle mein Versprechen – ich mache weiter.“ Über Rockröhre Bonnie Tyler schrieben wir kürzlich erst, sie sei „in den 80er Jahren so etwas wie eine Klang gewordene Fototapete mit Palmenmotiv“ gewesen. Für die Deko der Kieler Woche reicht das allemal. Die Kölschen Nörgelrocker von BAP haben sich ja zuletzt im Fahrwasser von Bono und Grönemeyer auf dem Afrika-Ticket in die Medien geschummelt. Für einen Platz bei der Kieler Woche hat’s schon mal gelangt. Neben Extrabreit, der abgehalftertsten von allen Neue-Deutsche-Welle-Bands, oder Orange Blue, die mit ihrem Sonnenstudio-Pop zum Tingeln auf Autohauseröffnungen erfunden scheinen. Geradezu fehlen würden einem zwischen Spiellinie und Krusenkoppel Torfrock, die das Asoziale zum Stil erhoben haben und sonst eigentlich nur zum weihnachtlichen Rumprollen im Elbe-Weser-Dreieck reaktiviert werden.

Auch die Dire Straits, die vermutlich schon als Prostata-Rocker zur Welt gekommen sind, dürfen in Kiel noch mal gniedeln, obwohl sie seit 1995 nicht mehr in Erscheinung getreten sind. Aber sie haben sich eben nie offiziell aufgelöst – wer weiß, vielleicht ist irgendwo noch ein bisschen Geld aus dem Stadtmarketing-Topf abzugreifen. Aber es kommt noch dicker: Sogar die Glamrocker The Sweet stehen wieder auf der Bühne. Brian Connolly und Mick Tucker haben sie wahrscheinlich exhumiert. Nächstes Jahr werden unweigerlich die Rolling Stones kommen, nachdem sie zuletzt vor halbleeren Hallen spielten. JAN KAHLCKE