: Was sind das für Zeiten …
BÄUME Sieben Ginkgos für Brecht: Baumpate Ben Wagin hat wieder zugeschlagen
Was für eine skurrile Szene, an diesem sonnigen Montagmittag am Schiffbauerdamm: Etwa 60 Menschen haben sich um die Brecht-Statue am Berliner Ensemble versammelt. In feierlichem Schweigen lauschen sie einem Trompeter und einem Akkordeonisten, die eine theatrale Fassung von „What A Wonderful World“ darbieten. Die Brecht-Schauspielerin Traute Hoess deklamiert, an Brechts Hosenbein gelehnt, sein Gedicht „An die Nachgeborenen“: „Was sind das für Zeiten, wo / Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist. Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!“
Darauf folgen: noch mehr Brecht, eine Rede von Claus Peymann, mit schwarzem Zylinder für alle als „Theaterdirektor“ erkennbar; und ein herzergreifend schiefer Kanongesang der Klasse 5b der Wedding-Grundschule, die in ihren weißen Namens-T-Shirts ebenso herzergreifend friert. „Nach dieser Erde“. Danach wird in zwei Gedichten der unverwüstlichen Brecht-Pappel vom Karlplatz gedacht. Der Platz, an dem die Pappel gepflanzt, gefällt und schließlich im Zeichen der Aktion „652 Bäume für Berlin“ von Eberhard Diepgen erneut gepflanzt wurde, ist vom BE aus nicht zu sehen. Aber die Gewalt-und Widerstandssymbolik ist doch präsent: zustimmender Applaus, zufriedene Gesichter.
Beitrag zum Stadtklima
Bäume, Brecht, Klimaschutz: Der Aktionskünstler und „Baumpate“ Ben Wagin hat mal wieder zugeschlagen. Seine neue Aktion, „Bäume Klima Räume“, beschert dem brachen Vorplatz des Brecht-Theaters sieben junge Ginkgo-Bäume. Bäume, die, so viel Binse muss sein auf dem Theatervorplatz, ein notwendiger Beitrag zum Stadtklima sind und die Achtung des Städters vor der Natur fördern sollen. Vielleicht nicht die komplexeste Botschaft. Aber Wagin versteht es, Öffentlichkeit herzustellen. Auch wenn der globale Klimaschutz durch sieben Ginkgos in der mit 438.000 Exemplaren baumreichen Berliner Innenstadt vielleicht nur unwesentlich gewinnt: Die hochkulturelle Reverenz an Goethes Lieblingsbaum, die laut Peymann für Unsterblichkeit und Liebe steht, mithin also wie geschaffen fürs Brecht-Theater ist, kommt gut an bei Schulkindern, Touristen, Kameraleuten.
Nachdem die Kinder gesungen haben und Berlins negative Baumbilanz beklagt wurde – 1.600 weniger im Jahr 2013 –, tritt tatsächlich auch noch der ehemalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer auf. Töpfer, Direktor eines Nachhaltigkeitsinstituts in Potsdam, redet nicht. Schippt nur stumm im schwarzen Mantel für die Fotografen Erde auf die bereits eingepflanzten Ginkgos. Es muss dem Mann wirklich ernst sein mit dem Klimaschutz. NINA APIN