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Archiv-Artikel

„Die Männer im Militär profitieren von den Frauen“

BUNDESWEHR Die Militärsoziologin Maja Apelt über die Rolle von Soldatinnen in Kampfeinsätzen

Maja Apelt

■ ist Professorin für Organisations- und Verwaltungssoziologie an der Universität Potsdam und forscht unter anderem zum Thema Gender in den Streitkräften.

taz: Frau Apelt, ein junger Offizier hat die Integration der Frauen in der Bundeswehr für gescheitert erklärt. Spricht er aus, was viele in der Truppe denken?

Maja Apelt: Nein, insgesamt gilt die Integration der Frauen als gelungen, das zeigen zumindest Umfragen unter Soldaten. Doch auf einzelnen Feldern gibt es noch große Vorbehalte. Etwa in der Frage, ob Frauen für den Kampfeinsatz geeignet sind. Viele glauben, dass Frauen körperlich überbeansprucht werden.

So argumentiert auch Oberleutnant Böcker im Uni-Magazin der Bundeswehr. Hat er recht?

Der Soldatenberuf ist nach wie vor körperlich besonders anspruchsvoll. Die physische Belastung hat nicht nur etwas mit Muskelkraft zu tun, sondern es geht beispielsweise auch darum, klimatische Zustände auszuhalten, sich eine gewisse Fitness anzutrainieren. Dabei ist das Geschlecht nicht ausschlaggebend. Es gibt Männer wie Frauen, die für den Kampfeinsatz geeignet oder auch nicht geeignet sind.

Manche Soldaten werfen den Frauen vor, dass sie bei den Leistungstests nicht das Gleiche leisten müssen.

Beim dem Physical Fitness Test geht es nur darum, die allgemeine Fitness festzustellen. Den müssen die Soldaten und Soldatinnen jedes Jahr absolvieren, damit sie sich körperlich fit halten. Das hat aber nichts mit der Vorbereitung auf Kampfeinsätze zu tun. Das geschieht zum Beispiel durch den Einzelkämpferlehrgang. Hier werden die Teilnehmer an die Belastungsgrenze gebracht, und zwar unabhängig vom Geschlecht. Aber nicht nur Muskeln sind entscheidend.

Viele Soldaten glauben, sie könnten nicht mit Frauen zusammen im Einsatz sein, weil sie nicht mehr kampffähig wären, wenn sie mit ansehen müssen, dass eine Frau in Gefahr ist.

Der Mythos vom Beschützerinstinkt hält sich wacker und bezieht sich auf ein Beispiel aus der israelischen Armee. Es gibt aber dafür keine Belege, Frauen waren bis 2001 in der israelischen Armee immer in einem besonderen Korps und an Kampfeinsätzen nicht beteiligt. Der Beschützerinstinkt als Argument ist unschlagbar, um Frauen herauszuhalten. Denn so werden nicht die Frauen für unfähig erklärt, sondern die Männer für zu gut, um zusammen mit Frauen zu kämpfen. Für den Reflex, den Kameraden beschützen zu wollen, ist nicht das Geschlecht, sondern eher die Nähe verantwortlich.

Warum ist es überhaupt so erstrebenswert, dass Frauen an der Seite der Männer kämpfen?

Ich weiß nicht, ob es generell erstrebenswert ist, zu kämpfen. Aber neben der Polizei ist die Bundeswehr das wichtigste Organ des staatlichen Gewaltmonopols. Außerdem geht es um den Schutz der Gesellschaft. Darum sollten Frauen partizipieren.

Glauben Sie, dass Frauen die Bundeswehr bereichern?

Mythos Kampfkraft

■ Frauen sind im Durchschnitt kleiner als Männer und haben weniger Muskelmasse. Aber folgt daraus, dass sie die „Kampfkraft“ der Truppe schwächen? Im Gegensatz zur Bundeswehr, die von guten Erfahrungen berichtet, wird in der Neuen Rechten gern der Untergang der westlichen Armeen durch kämpfende Frauen beschworen.

■ Jetzt hat Martin Böcker, rechtslastiger neuer Leiter des Uni-Magazins Campus der Bundeswehrhochschule in München, die Kampfkraftthese erneut aufgewärmt. Böcker gehört zum Umfeld des Instituts für Staatspolitik, das zeitweise vom Verfassungsschutz beobachtet wurde. Die Uni distanzierte sich, im Oktober könnte der studentische Konvent über die Ablösung Böckers entscheiden. (oes)

Mit der Integration der Frauen wurden ganz neue Themen in die Bundeswehr gebracht, wie Kinderbetreuung und die Gleichstellung von Homosexualität. Von einem guten Diversity Management profitieren auch Männer, und das ist vielen auch bewusst. Aber auch im Einsatz profitiert das Militär von den Frauen.

Inwiefern?

Ich gehe nicht davon aus, dass Frauen besondere Fähigkeiten haben, die Männer nicht haben. Es sind praktische Gründe: Frauen können im Einsatz beispielsweise eher Zugang zu einheimischen Frauen erhalten als Männer. Wenn eine Gruppe völlig homogen ist, besteht die Gefahr, dass sie bestimmte Situationen im Einsatz nicht richtig erfasst.

INTERVIEW: MARTIN RANK