Die Pragmatikerin, die der Ikone folgt

Es war die klassische Zerlegung der Parteiflügel, die es offiziell gar nicht mehr geben soll: Am Wochenende auf dem Parteitag der niedersächsischen Grünen in Hitzacker verzichtete die dem eher linken Spektrum zuzuordnende Landesparteichefin Dorothea Steiner nach zwei erfolglosen Anläufen darauf, sich für die Liste für die Landtagswahl im Januar 2008 aufstellen zu lassen.

Die Pragmatiker fuhren dagegen einen Sieg ein. Fraktionsvize Ursula Helmhold wurde mit 131 der 149 Stimmen zur Nummer 1 der Landesliste gewählt. Ein respektables Ergebnis, das an ihre überaus populäre Vorgängerin als Spitzenkandidatin, die inzwischen ins Europaparlament abgewanderte Rebecca Harms erinnert. An den Status der Anti-Atom-Ikone Harms wird Ursula Helmhold aber wohl zunächst nicht heranreichen können.

Die 51-jährige Sozial- und Frauenpolitikerin aus dem Landkreis Schaumburg ist nicht nur für unaufgeregte Kompromisse bekannt, sie ist auch bei den Regierungsparteien CDU und FDP als Angreiferin gefürchtet: Ursula von der Leyen schäumte, als Helmhold der einstigen Landes-Gesundheitsministerin von der CDU vorwarf, sie trage ihre sieben Kinder medienwirksam „wie eine Monstranz“ vor sich her. Auch die „Wildwest-Methoden“, die sie der Landesregierung von Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) bei der Privatisierung der Landeskrankenhäuser ankreidete, sorgten für Aufregung im Landtag in Hannover.

Die gelernte Krankenschwester und Hauptschullehrerin ist seit 1985 Parteimitglied, dann war die verheiratete Mutter von zwei Kindern Ratsfrau in ihrer Heimatstadt Rinteln. Seit 2003 ist sie Mitglied im Landtag. Hier seien ihre „Lust und Leidenschaft, Wulff auf die Füße zu treten, grenzenlos“, sagte Helmhold bei ihrer Bewerbungsrede. Damit wollte sie Vorwürfen aus der Partei entgegentreten, sie sei „unterkühlt“. Für „Begierde und Sinnlichkeit“, betonte Helmhold, gebe „es wahrlich andere Orte als den Plenarsaal“.

Bei den Wahlen in sieben Monaten wollen die Grünen mit Helmhold an der Spitze ein zweistelliges Wahlergebnis einfahren. 2003 hatten sie 7,6 Prozent erhalten. Eine Rückkehr in die Regierung, in der die Grünen zuletzt von 1990 bis 1994 zusammen mit dem damaligen Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) saßen, ist nach aktuellen Umfragen wenig wahrscheinlich. Da die Landes-SPD schwächelt, könnte danach höchstens eine rot-rot-grüne Koalition die Mehrheit bekommen. SPD-Spitzenkandidat Wolfgang Jüttner hat jedoch bislang eine Koalition mit den „Linken“ ausgeschlossen. Auch Schwarz-Grün schließen die Grünen trotz wiederholter Avancen Wulffs aus.KAI SCHÖNEBERG