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Archiv-Artikel

AMERICAN PIE Geizhälse werden großzügig

BASEBALL Die Miami Marlons statten „Power-Hitter“ Giancarlo Stanton mit einem Deluxe-Kontrakt aus, der für die nächsten 13 Jahre gilt

Für jedes Spiel werden 154.000 Dollar auf seinem Konto gutgeschrieben

Dreihundertfünfundzwanzig Millionen Dollar sind eine Menge Geld. In Zahlen und in Euro sind das 260.000.000 und reicht gerade so, um alle Fußballprofis von Bayern München, Borussia Dortmund und dem VfL Wolfsburg in der laufenden Saison zu bezahlen. Oder gut sechs Jahre lang sämtliche Eishockey-Profis, die in der DEL spielen. Man könnte auch alle Aktien von Borussia Dortmund aufkaufen – und hätte immer noch 200 Millionen Euro übrig.

In die Versuchung, sein Geld in BVB-Anteilen anzulegen, wird Giancarlo Stanton kaum geraten. Überlegen, was er mit 325 Millionen Dollar macht, das allerdings muss Stanton, denn so viel wird er in den kommenden 13 Jahren als Baseball-Profi verdienen. Am Montag haben der 25-Jährige und sein Klub, die Miami Marlins, sich auf einen neuen Vertrag geeinigt. Von der Gesamtsumme her ist es der am besten dotierte in der Geschichte des Profisports. Zusätzlich hat Stanton eine Klausel in seinem Vertrag, dass er nicht gegen seinen Willen an einen anderen Klub verkauft werden kann. Ein Deluxe-Kontrakt für, wie ihn Jeffrey Loria, der Besitzer der Marlins, bezeichnete, „das Gesicht des Klubs“.

Nun ist die Verwunderung groß. Denn die Marlins gelten als Geizhälse im Major League Baseball (MLB). In den Jahren nach dem Titelgewinn 2003, noch unter dem Namen Florida Marlins, konnte sich der Verein kein einziges Mal für die Playoffs qualifizieren und beschäftigte noch im vergangenen Jahr ein Team, das insgesamt weniger kostete als die 25 Millionen, die Stanton künftig jedes Jahr einsacken wird. „Wir können es uns leisten“, sagte Marlins-Eigentümer Loria über den Mega-Deal, „das ist ein Wendepunkt in der Geschichte dieses Klubs.“

Das wird man noch sehen müssen. Die Experten sind sich zwar einig, dass die Millionen für Stanton nicht schlecht angelegt sind, weil der als junges, völlig skandalfreies und bislang nicht dopingverdächtiges Riesentalent gilt. Aber sie sind misstrauisch, ob die Marlins tatsächlich auf Dauer diese Linie beibehalten werden und um Titel mitspielen wollen. Eine Einschätzung, die offensichtlich auch das Goldkind teilt. Stanton hat sich eine Ausstiegsklausel in seinen Vertrag schreiben lassen: In sechs Jahren dürfte er sich einen neuen Klub suchen.

In einer Zeit, in der weit weniger Homeruns geschlagen werden als in der Steroid-Ära vor 2006, als im Baseball endlich Dopingtests eingeführt wurden, ist der 1,98 Meter große Modellathlet einer der wenigen verbliebenen sogenannten Power Hitter. Vor zwei Jahren drosch er einen Ball derart vehement über die Außenfeldbegrenzung, dass die getroffene Anzeigetafel zeitweilig ihren Dienst quittierte. Der Ball hatte den Holzschläger mit 197 Stundenkilometern verlassen – ein Rekord, seit solche Daten gemessen werden.

Ein Rekord auch, der wahrscheinlich länger halten wird als die Dollarmillionen-Bestmarke. Vor Stanton war der 292 Millionen schwere 10-Jahres-Vertrag, den Miguel Cabrera, ein anderer „Power Hitter“, im März bei den Detroit Tigers unterschrieb, der dickste aller Zeiten. Eine Ende der Entwicklung ist nicht abzusehen – im Baseball gibt es immer noch keine wirklich funktionierende Gehaltsobergrenze. Zum anderen schließen die Klubs immer lukrativere Fernseh-Deals ab mit lokalen TV-Sendern, die ihr Programm füllen müssen – und Programm hat Baseball mit seiner 162 Spiele dauernden Saison reichlich anzubieten. Ob Giancarlo Stanton in den kommenden 13 Jahren tatsächlich 162 Spiele pro Jahr für Miami auflaufen wird, ist zwar unwahrscheinlich. Aber, das steht bereits fest, für jedes Spiel werden 154.000 Dollar auf seinem Konto gutgeschrieben. THOMAS WINKLER