schurians runde welten
: Ich, der Jobspanner

„Die Truppe ist gewillt, etwas zu leisten.“ (Guido Buchwald)

Der Fernseher ist kaputt. Und das in meiner Lage. Dabei habe ich gerade begriffen, warum ich so oft davor sitze: Ich bin wie ein kleines Kind, das „Bagger“ sagt, wenn es Maschinen sieht oder „Bob der Baumeister“, wenn einer einen Helm trägt. Der Fernseher ist mein Astloch im Bauzaun der Arbeitsgesellschaft. Ich schaue hin, wenn Talkmaster talken, Ordnungshüter hüten, Fußballspieler spielen oder Fernsehköche kochen. Und wenn sie das, was sie beruflich machen, auch noch gut können, macht es mir noch mehr Freude. Ob Kochsendung, Parlamentsrede oder Tennismatch – eigentlich ist das einerlei.

Andererseits – dass mein Fernseher ausgerechnet jetzt die Biege macht, ist doch nicht so übel. So viel Spaß es macht, anderen Leuten bei der Arbeit zuzusehen, so wenig Spaß bringt es, anderen bei der Arbeit zuzusehen, wenn man selbst keine mehr hat. Und so gesehen, ist der Ausstand meines betagten Röhrengerätes auch ein Zeichen. Weil ich befürchte, kein gutes, habe ich mir gestern einen neuen Fernseher gekauft.

Aus Bescheidenheit nahm ich einen winzig kleinen. Der dröhnt und benachteiligt Arte, 3Sat, Phoenix und die Dritten bei der automatischen Sendersortierung. Noch so eine Gemeinheit im Medienwesen. Mein neustes Motto: Es darf keinen Spaß machen, als Arbeitsloser zu glotzen, sonst endet man am Couchtisch.

Genug düstere Gedanken über mich und die flimmernde Arbeitswelt. Jetzt düstere Gedanken über diese Kolumne (Ersterscheinung 1998): Sollte diese Zeitung geschlossen werden, wird diese Kolumne umziehen. Entweder ins Fernsehen (unwahrscheinlich) oder ins Internet (wahrscheinlich). Sie wird sich dort zwar nicht wohl fühlen, aber es muss ja weitergehen. Sie wollen mir ja schließlich weiter bei der Arbeit zusehen; oder?

1. Juli: Fichte – Arminia

Noch mehr aus schweren Zeiten. Fichte Bielefeld spielt Fußball in der Verbandsliga und am Sonntag um 17 Uhr freundschaftlich gegen die Stars von Arminia Bielefeld. Der seltsame Name des Clubs hat eine besondere Geschichte und geht zurück auf den – genau! – Arbeiter-Sportverein FTS Fichte, der sich Anfang des 20. Jahrhunderts gründete und von den Nazis verboten wurde. Als Ausnahmeerscheinung wurde Fichte nach dem Faschismus wieder aktiv, fusionierte kurz darauf mit einer anderen Spielvereinigung. Dass die Arbeiterklasse immer noch Spuren hinterlassen hat, mag die 100-Jahrfeier im vergangenen Herbst zeigen. Zur Ausstellung der Vereinsgeschichte, in die auch ein früherer Vorgänger namens S.C. Alhambra gehört, gab es drei Tage lang „Bratwurst, Pommes und Chicken Nuggets“.CHRISTOPH SCHURIAN